Leser-Figuren-Bindung: Die Sache mit der Identifikation
Wir umgeben uns gerne mit Menschen, die uns ähnlich sind. Die den gleichen Humor haben wie wir, oder gleiche Interessen haben. Wir freuen uns, mit ihnen lachen zu können, leiden mit ihnen, freuen uns auf ein Wiedersehen und begleiten sie oft ein Leben lang.
Nun begleiten wir die Figur in einem Buch nicht über mehrere Jahre, aber schon ein paar Tage, vielleicht sogar Wochen. Und wir wollen unsere Zeit nicht mit jemandem verbringen, der uns unsympathisch ist. Oder doch? Dann verweise ich auf diesen Artikel.
Deswegen ist es wichtig, dass der Leser sich mit der Figur unserer Erzählungen vergleichen kann. Sie wird nicht das genaue Ebenbild sein (Wäre ja auch gruselig), aber sie sollte menschliche Probleme haben. Solche, die jede von uns kennt. Ärger mit dem Chef, leeres Bankkonto, Knatsch in der Liebe, Killerpflanzen im Garten, weil man zu lange kein Unkraut gezupft hat …
Als Stan Lee damals Spider-Man erschuf, wollte er ihn so menschlich wie möglich machen und gab ihm all die Probleme, die Teenager so kennen. Peter Parker war ein Außenseiter voller Selbstzweifel und genau deswegen kam die Figur so gut an. Die Leser fühlten sich mit ihm verbunden und wussten, wie es ihm ging. Noch heute gehört er zu den menschlichsten Comic-Figuren, da er immer wieder mit den Problemen des Alltags kämpft. Und gegen Superschurken, aber wer macht das nicht? Mein Erzfeind war damals der gefürchtete Mathe-Lehrer, der mit Zahlen und Formeln um sich warf …
Ich schweife ab. Bestimmt habt ihr selber schon oft genug erlebt, wie sehr ihr mit Figuren mit fiebert. Seien es Harry Potter, Katniss oder meinetwegen auch Bella und Edward. Es gibt da etwas, dass die Leser mit ihnen verbindet und das ist einer der Gründe, warum diese Bücher so erfolgreich sind. Weil die Fans sich auf ein Wiedersehen mit ihnen freuen.
Nun fliegt ihr sicher nicht auf Besen herum und bekämpft ein dystopisches System (Oder doch?), aber ihr wisst hoffentlich, was ich meine.
Probleme des Alltags können auch ganz unscheinbare Dinge sein, die aber jeder von uns kennt. Der davon gefahrene Bus, das neue Handy mit unzähligen, nutzlosen Funktionen, der lärmende Nachbar oder dieser Typ aus der Schule, der euch immer den bösen Blick zuwirft, aber er hat noch nie mit euch zu tun gehabt und ihr wisst nicht einmal seinen Namen, oder was er gegen euch hat (Gott, hab ich den Kerl gehasst). Es gibt immer Menschen, die genau das gleiche Problem haben und wenn sie eure Geschichten lesen, werden sie sich in eurem Charakter wiedererkennen und das macht ihn sympathisch. Es bringt die Leser dazu, weiterlesen zu wollen. Vielleicht möchten sie sogar eine Fortsetzung.
Wenn ihr Figuren erschafft, gebt ihnen menschliche Züge, die jeder kennt. Lasst sie an sich zweifeln, legt ihnen Steine in den Weg, bewerft sie von mir aus mit solchen. Denn wenn der Leser sich erst mit dieser Figur vergleicht, wird er sich freuen sie am Ende als Sieger hervorgehen zu sehen. Oder ihr zertrampelt seine Gefühle und lasst euren Charakter grausam sterben. Wie ihr wollt.
2 Gedanken zu „Leser-Figuren-Bindung: Die Sache mit der Identifikation“
Ich persönlich bin ja der Meinung, dass die meisten erfolgreichen Geschichten erfolgreich sind, weil die Charaktere zum einen Charaktere sind, aber eben nicht so ausgearbeitet sind, weil der Leser dadurch auch noch genügend Freiraum hat, eigene Erfahrungen ein Stück weit hineinzuinterpretieren. Natürlich haben die Autoren davon auch eine gewisse Menschenkenntnis, aber gerade weil die Figuren nicht zu plastisch und sowohl ihre Stärken als auch ihre Schwächen noch nicht so plastisch sind, dass es dem Leser zu real wird, haben sie dann Erfolg. Glaube ich zumindest, da viele Eigenheiten und negative Verhaltensweise gerade bei Harry Potter beispielsweise in den Filmen stark kaschiert oder ausgeblendet werden, weil viele Filmgucker lieber angenehme Figuren haben wollen, die sympathisch sind, als solche, die auch mal anecken (während der Film trotzdem für Leute die das Buch nicht gelesen oder vorhergehende Teile nicht gesehen haben, etwas unverständlich sind, aber das ist eine andere Sache.)
Hallo Windsprite,
natürlich muss ein Charakter nicht bis ins letzte Detail vorgestellt werden. Das langweilt ja auch irgendwann. Ich finde es aber auch als Leser interessant genüg über eine Figur zu wissen, um ihr Handeln nachvollziehen zu können. In Filmen muss man einiges der Charakterisierung weglassen, da das oft nicht alles umsetzbar ist, bzw. das Erzähltempo eines Films und eines Buchs völlig unterschiedlich sind. Wie du schon sagtest, ist das aber eine andere Sache 😉