Heute geht es um den Teil des Weltenbastelns bzw. beim Schreiben eines Fantasy-Romans, der mir neben dem eigentlichen Schreiben mit am meisten Spaß macht: Kartografieren. So wie manche Autoren über das Schreiben zum Marketing, Lektorat und Cover-Design kommen, so hat mich das Kartografie-Fieber gepackt. Damals startete ich meinen ersten Romanversuch, der insgesamt aus drei Büchern bestehen sollte. Irgendwann verlor ich den Überblick über die zahlreichen Schauplätze, Länder und Namen sämtlicher Würdenträger – also musste eine Karte her. Dieser kleine Kartografiekurs richtet sich an alle Zeichner unter euch, Liebhaber der Landkarten in Fantasy-Romanen und diejenigen, die etwas neues ausprobieren möchten. Viel Spaß beim Zeichnen! 🙂
Die finale Frage: Wie kann ich eine realistisch aussehende Karte als Romangrundlage zeichnen? Ich möchte euch in fünf einfachen Schritten meine Methode erklären:
Schritt 1: Küstenlinien
Schnapp dir ein weißes Blatt Papier, Bleistifte und einen Atlas und dann starten wir den ersten Schritt zu deiner eigenen Landkarte. Was nun? Einfach drauf los zeichnen bis die Umrisse deiner Welt stehen. Sobald du das gemacht hast, betrachte in Ruhe dein Werk. Sehen die Küstenlinien realistisch aus? Wenn du noch skeptisch bist, wirf einen Blick in einen Atlas und lasse dich von Mutter Natur inspirieren. Erst wenn du mit deiner Arbeit zufrieden bist, gehe zu Schritt Zwei über.
Schritt 2: Plattentektonik
Im nächsten Schritt werden wir ein paar Gebirge in der Landschaft platzieren. Damit wir möglichst naturgetreu arbeiten und die Berge am Ende nicht wahllos in der Landschaft stehen, müssen wir uns wieder einmal an den Geografieunterricht und die gute, alte Plattentektonik erinnern: Wenn tektonische Platten aufeinander treffen, entstehen in zwei von drei Fällen Gebirge.
Fall 1: Eine Ozeanische Platte trifft auf eine Kontinentale Platte. Die Ozeanische Platte schiebt sich unter das Festland in den Erdmantel und wird aufgeschmolzen. In dieser Region treten häufig Vulkanismus und Erdbeben auf. Die Gebirge bestehen aus abgekühlter Lava und leichtem Gestein.
Fall 2: Eine Kontinentale Platte trifft auf eine Kontinentale Platte. Die Plattenränder brechen auf und beginnen sich aufzufalten, sodass massive Gebirge enstehen. In diesen Gebieten könne leichte Erdbeben auftreten.
Mit diesem Wissen ausgestattet, können wir mit dem Zeichnen weitermachen. Sieh dir deine Landkarte an und überlege dir, wo du deine Gebirge einzeichnen möchtest. Wieder folgt der prüfende Blick, ob die Gebirge, da wo sie sind, auch realistisch aussehen. Tipp: Die meisten Gebirge ziehen sich an Küsten entlang oder im zweiten Fall ist eine Halbinsel ein guter Anhaltspunkt. Wenn du mit deinem Ergebnis zufrieden bist, nehmen wir uns das nächste Kapitel des Geografiebuches vor.
Schritt 3: Klima und Vegetation
Jetzt geht es um einen wichtigen Aspekt deiner Welt: Das
Klima. Die Welt ist ausgehend vom Äquator in verschiedene Klimazonen unterteilt. Klima beeinflusst maßgeblich das Leben auf unserer Erde, also auch in deiner Welt.
Faustregel: Je weiter man sich vom Äquator entfernt, desto kälter wird das Klima aufgrund der niedrigeren Sonneneinstrahlung. Du musst nicht für die ganze Welt eine Klimakarte entwerfen. Es reicht vollkommen aus, wenn du dich bei der Auswahl des Klimas und der Vegetation an diese Faustregel hältst. Als Hilfestellung kannst du auch einen Äquator einzeichnen. Je nachdem wo auf dem Planeten dein Kontinent liegt, zeichnest du den Äquator
oberhalb (Südhalbkugel),
unterhalb (Nordhalbkugel) oder
mitten durch deine Landkarte. Den Äquator kannst du auch als Orientierung für die nächsten Schritte nutzen.
Schritt 4: Flüsse, Seen und Sümpfe
In diesem Schritt geht es um die Lebensadern deiner Welt: Flüsse, denn an ihnen entstehen blühende Hochkulturen. Auch hier muss wieder ein wenig Theorie sein: Wie fließen Flüsse eigentlich? Auf jeden Fall nicht gerade – sie mäandrieren, d.h. sie winden und schlängeln sich durch die Landschaft. Im Quellbereich, der häufig in Gebirgen oder hügeligem Land liegt, mäandriert der Fluss kaum, im Mittel- und Unterlauf beginnt er zu mäandrieren und in Kurven zu fließen, bis er letztendlich ins Meer fließt.
Was bedeutet das für das Zeichnen? Du suchst dir ein Gebirge als Quellbereich aus und beginnst mit einer kurzen geraden Linie. Je weiter du dich von der Quelle entfernst, desto verschnörkelter zeichnest du deinen Fluss bis zur Mündung. Zum Thema Flüsse zählen auch die Seen. Ursprünge eines Sees können Gletscher, Vulkane und aufgestaute Flüsse sein. Große Ansammlungen von Seen und Seenplatten gibt es häufig in der gemäßigten Klimazone, wo die gewaltigen Gletscher Kuhlen in das Gestein geschliffen haben, in denen sich das Tauwasser sammelte. Moore und Sumpfgebiete enstehen häufig in einem Gebiet mit zahlreichen Flüssen oder kleinen Seen.
Schritt 5: Lücken stopfen
Um deine Landkarte zu vollenden musst du jetzt nur noch die übrigen großen Flächen ausfüllen. Hier bieten sich unzählige Möglichkeiten durch die verschiedenen Arten von Wüsten, Graslandschaften und Wäldern. Dabei spielen wieder die Klimazonen eine wichtige Rolle, denn ein Mischwald kann niemals neben einer Wüste existieren – es sei denn du hast eine logische Begründung dafür. Voilá – fertig ist die Landkarte deiner Welt.
Digitalisiere deine Karte!
Wenn du deine Landkarte per Hand zeichnest, solltest du verschiedene Versionen der Karte einscannen. Zu einem gehen sie so nicht verloren, und zum anderen hat die Digitalisierung den Vorteil, dass du dir ein Exemplar ausdrücken kannst, um dir darin Notizen zu machen – ähnlich meinem Weltenbau-Plakat. Tipp: Scanne deine Karte nach jeder großen oder wichtigen Veränderung ein – nach dem Zeichnen der Konturen, der Gebirge und Flüsse, den Wäldern, den Grenzen und Ortschaften … So kannst du immer wieder einen Schritt zurück gehen, falls du feststellst, dass der Wald an Stelle X nicht gebraucht wird, greifst du einfach auf eine frühere Fassung zurück.
Weitere Teile der Weltenbau-Reihe:
Teil 1: Grundbausteine. Logik und Naturgesetze. Natur und Geographie
Teil 2: Land und Leute. Eine Kultur entwerfen. Eine Chronik schreiben – Ist das wirklich notwendig?
Teil 3: Herangehensweise: Wo fange ich am besten an?
Teil 4: Kleiner Kartografiekurs: Der Weg zur eigenen Landkarte.
Weltenbau Special: Fragenkatalog Part I