#Schreibnachtadventskalender – Zeit der Besinnung

#Schreibnachtadventskalender – Zeit der Besinnung

Im Autorenforum der Schreibnacht haben wir uns in diesem Jahr daran gemacht, einen Adventskalender zu erstellen. In den nächsten Tagen und Wochen werdet ihr teils auf Privatseiten, teils auf der Seite der Schreibnacht selbst (im Magazin) Kurzgeschichten und Gedichte rund um Winter, Weihnachten und alles drumherum finden.

Hinter Törchen Nummer 2 versteckt sich Junaka:
Ich bin 22 Jahre alt und habe nun in Hessen meine Heimat gefunden, obwohl ich als Nordkind hier eindeutig das Meer vermisse. Ich bin ein allgemein sehr kreativer Mensch und nutze meine Freizeit neben dem Schreiben gerne zum Zeichnen oder Lesen. Zum Schreiben habe ich tatsächlich erst vor zwei Jahren im Studium wieder gefunden, seit dem aber umso intensiver. Im letzten Jahr habe ich während des NaNoWriMo im Internet nach anderen Schreibforen geguckt und auf diesem Weg Gleichgesinnte gesucht habe. Ich bin froh, in diesem Rahmen auf die Schreibnacht gestoßen zu sein.

Liebe Grüße Junaka

Zeit der Besinnung

Ich blicke auf die Uhr: viertel vor vier. Noch eine halbe Stunde, dann ist es soweit. Dann ist sie soweit, dann ist sie hier. Jeden Abend dreht sie die gleiche Runde, läuft direkt vor mir entlang. Jeden Tag auf die Minute genau zur gleichen Zeit und immer sehe ich sie. Doch sie, sie sieht mich nicht. Niemals, bis heute. Heute wird sie mich endlich sehen, mich spüren. Viel zu lange habe ich schon gewartet, habe ich mit der Suche nach ihr verbracht. Leise und unbemerkt mache ich es mir in meinem Versteck gemütlich, bereit aus dem Nichts hervorzubrechen, bereit zuzugreifen.

Ich laufe durch die Kälte. Das Licht der untergehenden Sonne bricht zwischen den Bäumen hindurch, die den Wegrand säumen. Alles ist wie immer und dennoch ist da dieses mulmige Gefühl, das Gefühl, beobachtet zu werden. Nur noch einen Kilometer, dann bin ich zu Hause. Ich will grade etwas durchatmen, da höre ich es plötzlich: Das Knacken eines brechenden Astes – ganz nah. Viel zu nah. Ich beginne zu rennen, werfe immer wieder einen Blick zurück über die Schultern. Bloß nicht langsamer werden. Noch 2 Kurven, dann ist der Wald passee. Doch er reißt mich aus meinen Gedanken und zu Boden.

Eine wahre Schönheit, ungeschminkt und – so wie Gott sie schuf – perfekt. Ihr Atem färbte die Luft, in ihren Augen spiegelt sich das Entsetzen. Und doch, wie ein scheues Reh, so lieblich wirkt sie. Zart streiche ich ihr über die Wange. „Schhh, keine Angst, meine Kleine. Es ist gleich vorbei.“ Vor Schock so starr und unbeweglich ziehe ich sie mit, vom Weg hinab. Niemand wird uns stören, wird mich stören, denn alles läuft nach Plan. Dann, sie scheint zu merken, was geschieht, tritt und schlägt nach mir. Doch es ist zu spät. Meine Hand ruht bereits auf ihrer Kehle.

„Ich verstehe“ sage ich ganz ruhig, dann lege ich auf. Unsere Tochter in den Armen haltend blickt meine Frau mich fragend an. „Die Arbeit?“ Ein stumpfes Nicken gebe ich ihr als Antwort, schnappe mir meine Waffe und die Marke und mache mich auf den Weg. Ein Mord. Ein Mord an Heiligabend. Der Tatort ist nicht weit enfernt. Bereits wenige Meter vor der Tür vernehme ich die heulenden Sirenen, erblicke die grellen Lichter die wie Blitze die Nacht erhellen. Ich bahne mir meinen Weg durch die Schaulustigen, atme noch einmal tief durch, dann lege ich meine Hand auf die eiskalte Klinke.

Vorsichtig öffne ich die Kirchentür und der Anblick, der meine Kehle sofort trocken werden lässt. Sie häng starr da, am Kreuz. Ihr Gesicht ist nicht zu erkennen. Langsam, ganz langsam, tragen mich meine Beine hinein in den Raum, hin zu ihr. So jung, so unschuldig, so leblos. Ihre langen Haare hängen in nassen Strähnen herab, der Kopf gesenkt. Ein Kunstwerk, dass den Raum erfüllt. Dass all den Lärm verschluckt, nur Stille hinterlässt. Warum nur tut jemand sowas? Ihr werdet es nicht erfahren, denn ein Künstler erklärt sein Kunstwerk nicht. Nur so viel sei verraten: Eine unheilige Tat am heiligen Abend.

 

Hier geht es zum Türchen Nr. 1

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