Halloween-Kurzgeschichte 4: Happy Halloween
Diese Geschichte ist im Rahmen des Halloween-Wettbewerbs im Schreibnacht-Forum entstanden. Die Autorin ist Userin Frauke Kleinlosen. Drei weitere Kurzgeschichten werden im Magazin veröffentlicht, andere findet ihr im Forum. Nochmals vielen Dank für die zahlreichen Einreichungen und jetzt viel Spaß mit „Happy Halloween“. Aber Achtung: Es wird sehr gruselig und am Blut wird auch nicht gespart!
„Nun komm schon. Trödel doch nicht so.“
„Ja, aber … heute ist Halloween!“
Nun drehte sich Meike doch zu ihrem Freund um. „Bitte, was?“
„Heute ist Halloween. Die Nacht der Toten. Heute verschwimmen die Grenzen zwischen der Welt der Lebenden und der Toten. An so einem Abend gehe ich bestimmt nicht über den Friedhof. Vergiss es.“
„Oh, na klar“, rief Meike spöttisch aus. „Heute gehen Geister um oder wie? Mach dich doch nicht lächerlich.“ Entschlossen ging sie los.
„Meike, jetzt warte doch“, bat ihr Freund Steffen und ging ihr nach. „Es ist wirklich keine gute Idee über den Friedhof zu gehen. Bitte, wir können doch einen Umweg machen. Die Nacht ist doch schön und …“
„Ja, schöner ist es noch zu Hause auf dem Sofa“, sagte sie über ihre Schulter hinweg. „Also was ist jetzt? Kommst du, oder nicht?“
Seufzend griff Steffen nach ihrer Hand. Das Tor zum Friedhof quietschte in seinen Angeln, als Meike es langsam aufschob. Ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter, auch wenn sie es nicht zugeben wollte.
Heute, in der Nacht vor Allerheiligen, leuchteten viele Grablichter und verbreiteten so eine gruselige Atmosphäre. Eines davon war besonders stark erhellt. Beim Näherkommen erkannten sie, dass jemand einen riesigen Kürbis darauf abgelegt hatte. In die harte Schale war eine schreckliche Fratze geschnitten worden, die sie dank einer leuchtenden Kerze im Inneren angrinste.
„Ein Kürbis, ein paar Lichterketten, Spinnweben und dazu ein paar Plastikspinnen. Nett.“ Meike ging näher heran und lachte auf. „Hier liegt sogar eine kopflose Leiche. Wirklich nicht schlecht die Deko. Auch wenn es hier ein wenig verschwendet ist. Hier kommt doch niemand her, um sie zu bewundern.“
„Doch, wir“, meinte Steffen und trat näher. „Komm, lass uns schnell weitergehen. Der Friedhof ist groß und wir haben noch einen ordentlichen Weg vor uns.“
„Ja, gleich. Ich will mir nur die Leiche ein wenig anschauen. Ob die selbst gemacht ist oder kann man die so irgendwo kaufen?“
Meike beugte sich über die Leiche und betastete die Stelle, an der eigentlich der Kopf sein sollte. Angeekelt spürte sie etwas Nasses auf ihrer Haut. Kurz entschlossen griff sie nach einem der Grablichter, die neben der Leiche standen. Sie beleuchtete ihre Hand. Etwas Rotes, Schmieriges benetzte ihre Finger. Sie schluckte nervös.
„Ähm, Steffen?“
Keine Antwort. Sie drehte sich zu ihrem Freund um. Dieser stand vor ihr, die Augen weit aufgerissen, der Mund zu einem stillen Schrei geöffnet. Hinter ihm stand eine monströse Gestalt. Eine Sense, noch in der Luft erhoben, ragte über ihr auf.
In dem Moment rollte Steffens Kopf von seinen Schultern, platschte mit einem unangenehmen Laut auf den Boden, der Körper folgte ihm sogleich.
„Steffen“, wimmerte Meike tonlos.
Sie wagte es nicht, sich zu rühren. Die Gestalt war ein Schatten, kein Gesicht war zu erkennen, die Sense wurde langsam wieder gesenkt. Dann deuteten bleiche, knochige Finger auf sie. Meike hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Starr vor Angst beobachtete sie, wie die Totenfinger langsam umschwenkten und dann Richtung Ausgang deuteten.
Sollte das bedeuteten, dass sie gehen sollte? Aber sie konnte doch nicht einfach Steffen alleine lassen. Der Schatten wartete ab, doch als Meike keine Anstalten machte, sich zu bewegen, kam sie langsam und bedrohlich auf sie zu. Meike spürte die Feuchtigkeit auf ihren Fingern und war sich nun sicher, dass es echtes Blut war. Das wiederum bedeutete, dass die vermeintlich künstliche Leiche echt war. Mit einem erstickten Schrei fuhr sie auf, versuchte Abstand zu bekommen, verhedderte sich jedoch in den Spinnenweben und fiel auf die Knie. Der Schatten war ihr nun ganz nahe. Panisch rappelte sich Meike auf, schaffte es, sich von den dünnen Fäden zu befreien, und rannte los.
Kopflos hastete sie zu dem Tor und versuchte hektisch, es aufzuziehen, doch zu ihrem Entsetzen ließ es sich nicht öffnen. Immer wieder versuchte sie die Klinke runterzudrücken, doch diese klemmte. Dann war es, als würde sich eine eisige Hand auf ihre Schulter senken. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Gleich würde sie sterben, genau wie Steffen. Steffen, den sie mit ihrer Unbedachtheit und ihrem Unglauben auf dem Gewissen hatte. Es wäre also nur gerecht, wenn sie nun auch das Zeitliche segnen würde. Sie schloss die Augen, spürte erneut einen Windhauch in ihrem Nacken.
„Happy Halloween“, hörte sie auf einmal eine Stimme hinter sich wispern. Erstaunt öffnete sie die Augen und drehte sich langsam um. Da stand Steffen quicklebendig vor ihr.
„Steffen?“
„Ich bin’s, Süße. Ich hoffe, ich habe es nicht übertrieben aber ich wollte dich einmal das Fürchten lehren. Ich weiß ja, dass du nicht an Geister glaubst, aber heute an Halloween …“
Meike wusste im ersten Moment nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Steffen war nicht tot. Steffen ging es gut. Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn stürmisch. Dann allerdings trat sie zurück und knuffte ihn fest gegen die Schulter. „Du Idiot, ich dachte, du wärst tot.“
„Au.“ Er grinste. „War schon cool der Effekt, oder? Ich habe ewig an einem Kopf gearbeitet, der mir ähnlich sieht.“
„Ja, echt cool“, musste sie zugeben. Langsam beruhigte sich auch wieder ihr Herzschlag. Steffen war zwar ein Idiot, aber im Moment überwog die Erleichterung, dass es nur ein Scherz gewesen war. Rächen konnte sie sich immer noch, wenn sie wieder zu Hause waren. Da würde ihr schon etwas Passendes einfallen.
Steffen zog sich den schwarzen Umhang über den Kopf und zeigte ihr die bleichen Totenfinger und die Sense, die ebenfalls selbst gebastelt waren.
„Die Deko räume ich morgen wieder weg. Habe ich mit dem Friedhofswächter so vereinbart. Und jetzt komm, wir gehen schnell zum anderen Ausgang.“
Steffen griff wieder nach ihrer Hand und gemeinsam gingen sie los. Die tanzenden Schatten auf den Gräbern hinter sich bemerkten sie nicht und auch nicht die nebelartigen Gestalten, die sich hin und her bewegten. Die Grenzen zwischen der Welt der Lebenden und der Toten verschwammen, die Geister erhoben sich aus ihren Gräbern, doch Meike und Steffen gingen schnurstracks über den Friedhof und sahen nicht mehr nach links oder rechts, noch schauten sie zurück.
Über die Autorin
Frauke Kleinlosen wurde 1980 in dem schönen Bonn am Rhein geboren, wo sie heute mit Mann und zwei Kindern lebt. Schon früh entdeckte sie die Liebe zu Büchern und träumte schon damals davon, eines Tages selbst eines zu veröffentlichen. In einem dicken Schuber befinden sich alte Hefte und Schnellhefter aus ihrer Kindheit, in denen sie sich an ersten eigenen Geschichten versuchte. Wenn sie gerade nicht schreibt, hört sie in ihrer Freizeit Hörspiele, lernt mit Begeisterung Ukulele spielen und ist Mitglied in einer Frühmittelalter-Reenactment-Gruppe.