Schreibübung | Wie aufmerksames Lesen und Reflektieren beim Schreiben hilft
Durch nichts lernt man mehr über das Schreiben als durchs Lesen, abgesehen vom Schreiben und dem Überarbeiten von Texten. Natürlich sind Bücher zum Handwerk sehr nützlich, aber in Romanen, Kurzgeschichten und Gedichten sieht man, wie die Theorie angewendet wird.
Regelmäßiges Schreiben verbessert deine Schreibfähigkeit, aber wenn du dir Zeit nimmst, noch einmal über das Gelesene nachzudenken und deine Gedanken zu formulieren, beschleunigt das den Lernprozess.
Sei es nun der neueste Thriller, ein Gedicht aus dem Jahr 1772 oder dein letztes Kapitel vom NaNoWriMo, man lernt aus allem. Man wird sich der Stärken und Schwächen des Textes bewusst, analysiert den Aufbau und die Figuren. Und mir hilft es dabei immer, meine Gedanken zum Text zu notieren. Sei es, nachdem ich das Buch zugeklappt habe oder schon während des Lesens. Wie es beliebt.
Das zusätzliche Aufschreiben hilft enorm beim Ordnen der Gedanken. So hören sie auf, sich im Kreis zu drehen: Vielleicht bemerkt man Dinge, die vorher unwichtig erschienen, und beim Nachdenken ergibt alles auf einmal Sinn, sodass die Geschichte weiter an Tiefe gewinnt, was das Leseerlebnis nur noch intensiviert. Und genau dieses tiefgreifende Verständnis kommt dir bei deinem eigenen Schreiben und deinem Gespür für den Text zugute.
Ich habe mir beispielsweise ein eigenes Notizbuch nur für meine Aufzeichnungen von gelesenen Büchern angelegt, in dem ich mir auf der ersten Seite die Fragen und Dinge notiert habe, auf die ich während des Lesens achten will. (Mehr dazu unten.) Aber das bleibt jedem selbst überlassen – vielleicht macht jemand anderes sich lieber Notizen über das Gelesene am PC und fühlt sich mit einem Schreibprogramm wohler.
Übung:
Schreibe für ein Einzelwerk, das du liest oder erst gelesen hast, Notizen zu Dingen, die dir aufgefallen sind. Die Reaktion auf das Buch, seine Handlung ist wichtig. Dabei können dir folgende Fragen helfen:
- Wie hast du dich beim Lesen gefühlt? Traurig? Ängstlich? Neugierig? Wie hat der Autor das erreicht?
- Was genau hat eine emotionale Reaktion in dir hervorgerufen? Die Charaktere? Die Themen? Der Plot?
- Hast du dich eher wie ein Beobachter oder wie ein Teilnehmer gefühlt? Wurdest du in die Geschichte hinein gesogen? Wie wurde dieser Effekt erzielt?
- Wie hat der Autor Spannung erzeugt? Schreibe dazu jedes Ereignis, jede Wendng auf, die zum Höhepunkt der Geschichte führte. Auch ein Blick auf die Satzstruktur hilft weiter: waren es lange oder kurze Sätze? Hat der Autor viel beschrieben? Oder eher wenig?
- Welche Abschnitte haben dir nicht gefallen? Woran genau liegt das?
- War das Buch fesselnd? Welche Cliffhanger haben dich immer weiter umblättern lassen?
- Was war einzigartig und liebenswert am Protagonisten? Was hat den Antagonisten verabscheuungswürdig oder nervend gemacht? Oder einmal andersherum: was lässt den Antagonisten symphtisch erscheinen, welche Macken nerven dich am Protagonisten? Wie werden sie beschrieben? Wie sprechen sie? Was macht sie für dich lebendig?
- Wie würdest du die Erzählweise einschätzen? War die Sprache blumig? Gefühlvoll, oder eher stoisch?
- Wie war das Buch strukturiert? Hatte es Kapitel? Waren sie nummeriert oder mit Überschriften versehen? Waren sie vorausdeutend? Gab es eine Einleitung, einen Prolog oder Epilog? Wie wirkt sich die äußere Strukturierung auf den Inhalt aus? Hättest du es anders eingeteilt? Wurde die Perspektive gewechselt? Die Zeitform? Wie unterscheiden sie sich vom Haupttext?
- Erweckt etwas dein Interesse, schau es dir noch einmal genau an: Wie hat der Autor das zustande gebracht? Warum fühlst du an dieser Stelle, wie du fühlst? Welche sprachlichen und formalen Mittel hat der Autor benutzt?
- Lies eine markante Stelle im Buch ruhig mehr als einmal, mach dir Notizen dazu, wie der Autor den Effekt erzielt hat, oder auch, was du anders gemacht hättest.
Diese Liste kann man immer weiter führen. Wenn euch noch mehr Punkte einfallen, schreibt sie mir in die Kommentare und teilt sie mit allen.