Warum Autoren Protagonisten sterben lassen und geht es auch ohne Tote?
Vermutlich hat jeder, der gerne Bücher liest, schon einmal den Tod eines lieb gewonnenen Charakters bedauert.
Manchmal ahnt man, dass dem Protagonisten kein gutes Ende bevorsteht, manchmal jedoch tritt der Tod ganz unerwartet ein und der Leser, der das Schicksal seines favorisierten Charakters über viele Seiten mit Spannung verfolgt hat, bleibt fassungslos zurück. Oftmals mischt sich sogar Wut und Unverständnis hinzu, weil der Tod auf den ersten Blick sinnlos erscheint.
Über den Autor Charles Dickens weiß man, dass er seine Figuren wiederbelebte, wenn es seine Fans hartnäckig forderten. Doch sollte man als Autor wie als Leser nicht vergessen, dass einige Charaktere die Bildfläche für immer verlassen müssen, damit ein Wendepunkt in der Geschichte eintreten kann.
Ein gutes Beispiel ist das Plot Modell der Heldenreise. Joanne K. Rowling meinte dazu einmal in einem Interview: Der weiße Zauberer (Albus Dumbledore) muss sterben, damit der Held (Harry Potter) seine letzte Prüfung alleine bestehen kann.
Ganz alleine war Harry am Ende nicht, da seine Freunde Ron und Hermine unterstützend an seiner Seite blieben. Doch Harrys großer Mentor, der allwissende Zauberer, der die Welt bislang im Lot gehalten hat, war nicht mehr am Leben, was unweigerlich dazu führte, dass Harry selbst einen Weg finden musste, um die gefährlich Aufgabe, die vor ihm lag, zu lösen.
Einen Protagonisten sterben zu lassen kann ein gutes Mittel sein, um den Plot voranzutreiben und den Charakter, der am meisten von dem Verlust betroffen ist, weiter zu entwickeln. Diese Entwicklung muss nicht zwingend positiv sein.
Häufig sind es die Antagonisten (Gegenspieler des Helden), die zum Beispiel nach dem Tod eines Familienmitgliedes verzweifeln und nach Rache sinnen.
In der Regel plant ein Autor die Tode seiner Charaktere im Voraus. Einigen Protagonisten wird ein grausiger Tod auferlegt und andere müssen sterben, weil sie ihre Mission erfüllt haben und der Weg für sie zu Ende ist.
Was sich jedoch so leicht plant, kann während des Schreibens zum Problem werden. Nämlich dann, wenn der Autor es nicht mehr über das Herz bringt, seinen Charakter zu töten. Er kann in diesem Fall versuchen ein Hintertürchen zu finden, um die Figur am Leben zu lassen, aber wenn er von seinem Plot überzeugt ist, weiß er, dass er Opfer bringen muss, um die Geschichte in ihren Bahnen zu halten.
Das kann schmerzlich sein und sogar mit Tränen einhergehen, doch eine gute Geschichte lebt davon, dass sie ihre Leser berührt. Wir wollen mit unseren Helden lachen und weinen und wir möchten ihre Verlassenheit in den dunkelsten Momenten spüren.
Letztlich trifft uns der Tod eines geliebten Charakters am meisten, doch wie der Held bekommen wir die Chance auf etwas Neues zu blicken. Ein gelungenes Ende ist meist der beste Trost, sowohl für den Leser als auch für den Autor.