Der Protagonist, das liebenswerte Arschloch
Schon gehört: Schwiegermamas Liebling hat ausgedient. So sieht’s aus! Der schmierige Schmierlappen, Goldlöckchen, der Bachelor oder wie auch immer er sich gerade nennt, kann seine Sachen packen (Fön, Haargel, Dauergrinsen.) und ’nen Abflug machen, denn es ist Zeit für echte Kerle. Solche, die das Bierglas zerkauen, wenn sie es leer getrunken haben. Die einem sagen, dass man wie drei Tage Beerdigungswetter aussieht und einem der Hosenstall offen steht.
Jetzt fragt ihr euch wahrscheinlich warum das alles. Ganz einfach: Sind unsympathische Helden nicht oft viel interessanter als die lieben Kerle von nebenan? Natürlich haben auch die was für sich, doch solche zu erschaffen ist nicht schwer. Einen Charakter zu schreiben, mit dem der Leser eigentlich niemals rum hängen würde, für den er aber Sympathie empfindet, schon. Oft liegt der Charakter eines Protagonisten an seinem privaten Umfeld. Ist er reich und berühmt, dürfte er ziemlich eingebildet sein. Herablassend und sich für etwas besseres haltend. Hat er keine Kohle und lebt in einem Loch, kann er andere nicht leiden, weil es ihnen besser geht als ihm. Doch beide können etwas an sich haben, mit dem sie den Leser auf ihre Seite ziehen.
Da wäre der Humor. Nehmen wir Al Bundy. Ein armer Schuhverkäufer, der sein Leben hasst und zumindest so tut, als könnte er seine Familie nicht leiden. Er kommt nach Hause und bezeichnet seine Frau als die rote Gefahr, seine Tochter als Dumpfbacke und sein Sohn enttäuscht ihn immer wieder. Ständig sieht es danach aus, als würde er sich nach etwas anderem sehnen. Aber dann sind da diese Momente, in denen er sich mit vollem Körpereinsatz für seine Familie einsetzt. Jemand beleidigt seine Frau und Kinder? Zack, ist die Fresse dick. Al Bundy ist so komisch, weil er Dinge zu seiner Familie sagt, die man niemals aussprechen sollte und ja, viele finden ihn deswegen schrecklich. Aber es sind diese Szenen, in denen er sich am Valentinstag um eine Karte für seine Frau prügelt und ähnliches, wo wir wieder Sympathie für ihn empfinden können.
Ein Charakter kann knallhart wirken, ununterbrochen trockene Sprüche bringen, sich den Weg freischießen und nie ein Quäntchen Gefühl zeigen. Doch dann stirbt sein Freund im Kugelhagel und das macht ihn nicht nur wütend, sondern auch traurig. Wieder eine Chance für den Autoren, den Leser mit der Figur trauern zu lassen. Der Freund war ein netter Kerl und zur falschen Zeit am falschen Ort. Jetzt fordert nicht nur der Charakter Rache, sondern auch wir.
Oder unser Held tut etwas, das uns berührt. Er hilft einem kleinen Kind, nimmt eine selbstlose, halsbrecherische Mission an, will seine große Liebe rächen, oder ähnliches. Wichtig ist, wenn dein Charakter unsympathisch wirkt, sollte er den Leser hin und wieder zum Lachen bringen. Lass ihn kein totales Arschloch sein, nur zu 40% oder 50%, damit der Leser das Buch weder angewidert, beleidigt oder gelangweilt in die Ecke schmeißt. Trockener Humor lässt ihn gleich etwas sympathischer wirken, dazu noch mindestens eine Szene in der Handlung, wo der Leser mit ihm mitfühlen kann und du bist auf einem guten Weg.
Anti-Helden sind beliebter als man denkt und es macht wirklich Spaß über solche zu schreiben. Du kannst viel mehr aus dir herausgehen und musst nicht dauernd Grenzen für irgendeinen Prinz Charming setzen. Lass die Sau raus, aber behalte sie im Zaum. Der Leser soll sich amüsieren und nicht sich nicht beleidigt fühlen.