Inspiration im Alltag
„Woher nimmst du nur deine Ideen?“
Kennen wir nicht alle diese Frage? Und dann sind die meisten Autor*innen erst mal ratlos, denn unsere Inspiration befindet sich 24/7 um uns herum. Viele Fragesteller*innen glauben, Inspiration gäbe es nur auf großen Reisen, immer nur im Außergewöhnlichen, dabei gibt es nichts Inspirierenderes als das Leben selbst. Auch unseren vermeintlich grauen Alltag.
Mit offenen Augen und Ohren durchs Leben gehen.
Jeder beiläufige Satz, jedes Geräusch, ja auch ein bestimmter Geruch, kann eine Idee anlocken oder die Inspiration für die nächste Szene liefern. Das bedeutet, dass man auch mal aufmerksam auf seine Umgebung achten muss. Ich kenne das Bedürfnis, im Zug die Kopfhörer in die Ohren zu stecken und aus dem Fenster zu starren. Wir Autor*innen träumen ja auch gerne vor uns hin und denken über unsere Geschichte nach. Es lohnt sich jedoch, darauf zu verzichten. In Zügen reisen häufig die merkwürdigsten Menschen mit oder wie es eine Freundin von mir mal ausdrückte: „Irgendwie fahren nur Irre Zug.“
Hast du schon mal versucht dir zu überlegen, wer diese Menschen um dich herum sind? Wo sie herkommen und wo sie wohl gerade hin wollen? Lass deiner Fantasie dabei freien Lauf, es muss nicht mal realistisch sein. Das Mädchen mit dem großen Rucksack fährt vielleicht nur nach Hause, vielleicht aber auch zu seiner großen Liebe oder sie stürzt sich gerade in ein Abenteuer in dem sie gegen Dämonen kämpfen muss.
Achte auch auf die Art, wie diese Menschen sprechen. Haben sie einen Dialekt, den du ihnen vielleicht gar nicht zugetraut hättest? Wie reden die 13-Jährigen Jungs miteinander und welche Worte verwenden sie?
Selbst der nervige Junggesellinnenabschied oder die Truppe pöbelnder Fußballfans können inspirierend sein. Wie würde dein*e Prota in diese Situation passen? Mitten im Geschehen? Dagegen pöbelnd und schimpfend oder zurückgezogen und argwöhnisch beobachtend?
Das ist das Einzige, was ich an Zugfahrten liebe: Sie gewähren uns einen kleinen Einblick in das Leben anderer Menschen.
Schule und Uni – alles zum Einschlafen?
Fast niemand geht gern zur Schule und dann gibt es da auch noch so viele Fächer, die einfach nur zum Einschlafen sind.
Für mich war die Schule immer eine großartige Inspirationsquelle – nicht nur die Pausen. Wenn ich durch meine Ordner blättere, finde ich immer noch eine Menge Notizen, die ich mir damals gemacht habe – Plotbunnys, zum Plotholes stopfen etc.
Eine chemische Reaktion kann die Erklärung für ein cooles Ereignis in der Geschichte sein, ein historisches Ereignis Vorlage für die Historie der eigenen Fantasywelt. Auch hier ist es manchmal nur ein Nebensatz, eine Randbemerkung, die den Stein des Anstoßes liefert.
Ähnlich ist es auch an der Uni. Vielleicht studierst du etwas, das irgendwie direkt mit deinen Geschichten zu tun hat? Vielleicht denkst du jetzt auch: „Nö, mein Studium hat nichts mit Schreiben zu tun“. Aber wenn du aufmerksam bist, wirst du auch hier immer mal wieder Inspiration entdecken. Es kommt wohl immer ein bisschen auf das Genre an, in dem du schreibst – oder bereit bist zu schreiben. Mir hat mein Politikwissenschaftsstudium so viel Inspiration geliefert, dass ich mich bald an meine erste Dystopie setzen werde. Diese Brücke zu schlagen, ist vielleicht vergleichsweise offensichtlich, aber ich bin überzeugt, dass du auch beispielsweise aus einem Informatik-Studium Inspiration ziehen kannst.
Der Job
Dazu fällt es mir als Studentin zwar schwerer, etwas zu sagen, aber sofern man mit Menschen zu tun hat (und letzten Endes hat man das immer), kommt es auch im Job immer wieder zu – manchmal erst im Nachhinein – lustigen oder interessanten Situationen. Vielleicht hast du auch thematisch mit etwas zu tun, das dir Ideen für eine Geschichte, eine Szene oder eine Figur liefern kann.
Das gute alte Sozialleben.
Autor*innen neigen ja gerne dazu, lieber mit ihren Figuren und ihrer Geschichte allein zu sein, statt auszugehen.
Aber es kann sich lohnen. Nicht nur, um wie zuvor beschrieben, die Umwelt genauer zu beobachten. In Gesprächen kann man so viel neues erfahren und manchmal haben Freunde neue lustige Anekdoten auf Lager – aber Vorsicht! Du solltest sie nie genauso einbauen, wie sie dir erzählt wurden, das führt unter Umständen nur zu unnötigem Ärger, inspirieren lassen kann man sich allerdings.
Und das schlechte Gewissen, nicht geschrieben zu haben, wird kleiner, wenn man Eis essen, Kneipen- und Kino-Besuche oder einen Tag am Badesee als Inspiration verbuchen kann 😉
Die Familie
Familie ist immer ein bisschen chaotisch- glaub mir, die Bilderbuchfamilie gibt es nicht. Nicht ohne Grund spielen sich Geschichten, die mangelnde Kommunikation behandeln (ein beliebtes Thema von Kurzgeschichten aus den 70er Jahren), häufig im familiären Kontext ab. Beobachte deine Familie mal genauer – können im größeren Kreis alle miteinander? Gibt es alte Konflikte, die einfach tot geschwiegen werden?
Wenn du Kinder hast, wirst du genau wissen, wie großartig sie und ihre kindlichen Aussagen sein können, weil Kinder die Welt durch ihre ganz eigenen Augen sehen. Ob es Wörter sind, die sie noch nicht aussprechen können, Zusammenhänge, die sie noch nicht verstehen können oder Fragen, die sonst keiner stellen würde.
Das Leben läuft gerade einfach nicht.
Es gibt diese Phasen, in denen alles sch**** ist. Aber auch aus diesen Phasen kann man Inspiration ziehen. Klingt merkwürdig, weil du in dieser Zeit wahrscheinlich nicht den Nerv hast, an deine Projekte zu denken. Aber auch wenn dich der Kummer blockiert, bewahre dieses Gefühl im Hinterkopf. Es wird dir helfen, Szenen zu schreiben, in denen es deinen Figuren genauso geht. Vielleicht probierst du aber auch einfach mal, alles aufzuschreiben. Aus deiner Sicht oder aus der Perspektive einer Figur, die in einer ähnlichen Lage ist. Für mich selbst ist das Schreiben in diesen Zeiten immer ein Rettungsanker und mein Weg, alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Du kannst auch probieren, einen Konflikt von der anderen Seite zu betrachten und aus dieser Sicht zu schreiben.
Einfach mal beobachten
Es gibt eine Übung für Journalist*innen, die lernen, Reportagen zu schreiben, sich einfach irgendwohin zu setzen und alles um sich herum zu beobachten, jedes kleine Detail aufzuschreiben und hinterher die Situation mit allen Sinnen bildlich zu beschreiben. Auch für Autor*innen ist das eine nützliche Übung, gerade, wenn dir Show don’t Tell schwer fällt. Das schöne daran? Du kannst es jederzeit versuchen. Es geht dabei nicht darum, das Außergewöhnlich zu beschreiben, sondern das ganz Alltägliche.
Ziehst du deine Inspiration auch aus dem Alltag? Und welcher Aspekt davon inspiriert dich am meisten?