Interview mit Textflash – Special Guest der 56.Schreibnacht
Am Freitag starten wir gemeinsam zum 56. Mal in die Schreibnacht. Dieses Mal steht Michaela Stadelmann aka Textflash, Mikaela Sandberg, Alicia Mirowna und Bettina Unghulescu bereit, um eure Fragen rund um das Thema Schreiben und Lektorieren zu beantworten. Unser Specialguest schreibt nämlich nicht nur selbst Krimis und Ballettromane, als Textflash lektoriert sie auch die Texte anderer. Um euch auf den Freitag vorzubereiten, haben wir Michaela bereits heute ein paar Fragen gestellt.
Stell dich doch kurz vor:
Ich heiße Michaela Stadelmann und bin als Lektorin, Autorin und Autoren-Coach tätig. Mit meiner Familie lebe ich in Mittelfranken. Zum Schreiben bin ich wahrscheinlich wie viele andere auch gekommen: Ich habe schon immer gern gelesen und wollte probieren, ob ich auch so viel schreiben kann. Das Schreiben ist für mich ein ganz normaler Job, den man mal hasst und mal liebt.
Im Verhältnis zu früher lese ich privat weniger, weil ich dahingehend beruflich ausgelastet bin. Dafür stricke ich gern Socken und Schals und höre dabei Hörbücher und Hörspiele unterschiedlicher Genres.
Wie kam es dazu, dass du unter so vielen verschiedenen Pseudonymen veröffentlichst?
Es gibt mindestens zwei Gründe:
1. Wenn man in einem bestimmten Genre schreibt, kann es von Vorteil sein, einen Kunstnamen nach einem bestimmen Muster zu führen, falls sich dahingehend etwas etabliert hat. Z.B. im Genre Fantasy und SciFi kann ein dreigeteilter angloamerikanischer Name (Vor-, Mittel-, Nachname) helfen, die Aufmerksamkeit der Leser auf sich zu ziehen. Viele Fantasy- und SciFi-Welten spielen ja auch in „englisch angehauchten“ Welten mit Commanders, Lieutenants etc. pp.
Deshalb wollte ich bei den Ballettromanen ein „russisches“ Pseudonym ausprobieren, denn Ballett wird anscheinend entweder mit Russland oder mit Frankreich (Paris) assoziiert. Die Ballettromane, die ich von 2013-2015 veröffentlichte, wurden unter diesen Pseudonym übrigens recht gut angenommen. Wenn sich bei Gesprächen mit Lesern herausstellte, dass ich eigentlich Michaela Stadelmann heiße, kam des Öfteren zurück: „Och, du hast ja einen ganz normalen Namen“ oder „Dein Name passt ja gar nicht zum Thema.“ Da ich derzeit keine Ballettromane schreibe, habe ich Alicia Mirowna eingemottet.
Dann gibt es noch Bettina Unghulescu. Der Nachname ist eine rumänische Anlehnung an meinen Mädchennamen, da meine Familie aus Rumänien stammt. Aber dieses Pseudonym bereitete den Lesern große Schwierigkeiten. Im besten Fall wurde es verballhornt. Im schlimmsten habe ich mehrfach Beleidigungen oder „Hinweise“ bekommen, dass es besser wäre, mich wieder in das Land zurückzuscheren, wo Abschaum wie ich herkommt. Deshalb verwende ich es nicht mehr.
2. Das schwedische Pseudonym Mikaela Sandberg habe ich mir bei Ullstein u.a. deshalb erbeten, weil ich – kein Scherz! – oft mit Manuela oder Daniela oder Melanie angesprochen und sogar angeschrieben werde. Häufig werde ich in E-Mails auch in Herrn Michael Stadelmann umbenannt. Aus dem Nachnamen Stadelmann wird gern mal Stapelmann, Stadler, Stadlmann, Stallmann, Städtler …
Wieso Ballett- und Krimiromane? Es sind ja doch zwei sehr verschiedene Richtungen?
An den Ballettromanen ist der Nachwuchs schuld 😀 Ich war auf der Suche nach belletristischen Texten über Ballett, die nicht nur rosa und Tutus und Spitzenschuhe zum Thema hatten, sondern z.B. auch etwas von der Monotonie und dem Leistungsanspruch erzählen, die schon im Hobbybereich eine Rolle spielen, z.B. bei Ballettwettbewerben. Dazu kam, dass es, wenn ich mal einen Jugendroman fand, es nur so vor Stereotypen wimmelte. Da trafen lauter halbverhungerte Mädchen auf lauter homosexuelle Jungen, die alle an einer Akademie nach einer schier unerreichbaren Bühnenkarriere strebten und natürlich alle von unbarmherzigen Lehrern bis zur totalen Erschöpfung getriezt wurden etc. pp. Die Zielgruppe dieser Romane war auch eher um die 16 und Sexualität spielte eine wichtige Rolle.
Ich wollte aber etwas für „Anfänger“ ab 12 schreiben, die verfolgen können, wie vier Teenager den gleichen Weg gehen oder auch nicht, weil sie das Leben als Ganzes wichtig finden und Ballett nur ein Teil davon ist.
Zu den Krimis kam ich, weil ich wissen wollte, ob ich überhaupt Krimis schreiben kann und weil ich gerade in einer Phase war, in der ich mich intensiv mit dem Tod beschäftigt habe. Solche Phasen kommen ja immer wieder im Leben. Außerdem stöbere ich auf der Suche nach „Abgründen“ und Geheimnissen gern in Familiengeschichten. Dabei ist meine Ausbildung zur psychologischen Lebensberaterin eine gute Basis.
Hast du bereits, bevor du geschrieben hast, als Lektorin gearbeitet oder kam das erst mit dem Schreiben?
Jein. Ich bin 2007 ganz klassisch als Selbstverlegerin – so hieß das damals noch – mit einem eigenen Kleinverlag, dem Wunderwaldverlag, in die Branche eingestiegen. Ich wollte eigene Texte publizieren und mit anderen Autoren arbeiten, um meine schriftsprachlichen Fähigkeiten auszubauen. Dabei habe ich quasi zwangsweise lektoriert.
Nachdem ich ein paar Jahre Autorentexte herausgegeben habe, wollte ich wissen, ob ich nicht nur meckern, sondern auch selbst etwas Besseres kreieren kann als meine „Wagners“. Das waren 2007 meine ersten publizierten Gehversuche als Autorin. (Nein, die gibt es zum Glück nicht mehr zu kaufen.) Daraus sind nach ein paar anderen Projekten 2013 die Ballettromane entstanden.
2016 hatte ich keine Lust mehr auf die Verlagsarbeit, denn es wurde immer schwieriger, damit Geld zu verdienen. Zudem wird man als Verleger von Lesern und Autoren sehr ambivalent wahrgenommen. Außerdem machte ich Ende 2015 mit den Ballettromanen Dreiviertel des Verlagsumsatzes, Tendenz steigend. Parallel wurde ich immer öfter als Lektorin gegen Honorar angefragt. Da fiel mir die Entscheidung leicht, den Verlag abzumelden und mich ganz auf Lektorat und Selfpublishing zu konzentrieren.
Welche Intention steht hinter deinem Lektoratswerdegang? Was möchtest du damit erreichen?
Hm! Es ist mein Brotjob.
Aber natürlich steckt auch Idealismus dahinter. Wenn man die sprachlichen und kreativen Möglichkeiten eines Textes so gut es geht ausschöpfen möchte, dann gelingt das nicht unbedingt allein. Denn allein kann man immer nur auf die Aspekte zurückgreifen, die man selbst sieht, kennt oder kennenlernt.
Das trifft auch auf die Sprache zu. Sehr viele Autoren haben einen ähnlichen Schreibstil, weil sie die gleichen Schreibratgeber und/ oder Bücher lesen, Testleser sind, Buchblogs verfassen etc. Daraus muss sich erst mal ein eigener, ggf. unverwechselbarer Schreibstil entwickeln, damit man Autor A von Autor B unterscheiden kann. Deshalb bin ich wohl auch ein wenig berüchtigt für meine Erbsenzählerei, was „die richtigen Worte“ betrifft. Ich möchte, dass Autoren sich mit der Bedeutung von Worten auseinandersetzen, um wirklich etwas Eigenes zu schaffen und nicht unbewusst zu kopieren. Dabei lerne ich übrigens auch jedes Mal etwas Neues.
Welches ist von deinen Büchern dein liebstes Buch und warum?
Es gibt zwei Bücher:
Der aktuelle Krimi „Vergiss für immer“ ist mir wichtig, weil er die Überforderung einer jungen Frau darstellt, die allein mit ihrer Großmutter zusammenlebt und der Erkrankung ihrer Oma nicht gewachsen ist. Gleichzeitig möchte ich die Gleichgültigkeit darstellen, mit der man sich als pflegender Angehöriger gesellschaftlich konfrontiert sieht, und mit der ich auch täglich umgehen muss.
„Der stille Ruf des Todes“ liegt mir am Herzen, weil ich darin darstelle, wie schwierig die Erkrankung Anorexia nervosa (vulgo Magersucht) für die Betroffenen und deren Angehörige zu ertragen ist. Was den Betroffenen vielfach als überzogene Fixierung auf den eigenen Körper ausgelegt wird und Sätze provoziert wie: „Dann iss doch mehr!“, ist tatsächlich eine schwere psychische Erkrankung, die die ganze Familie betrifft. Auch das Vorurteil, dass die Eltern hier „was verbockt“ hätten, kommt in meinem Roman zum Einsatz.
Diesem Buch liegen wahre Begebenheiten zugrunde, bei denen man mit Sicherheit nicht nur einmal den Kopf schüttelt: nicht über die Erkrankten, sondern über das Verhalten der Personen, die „eigentlich“ helfen sollen, die Erkrankten und die Familie aber bereits abgestempelt und aufgegeben haben. Ich weiß, dass das sehr einseitig klingt, aber das haben meine Recherchen ergeben.
Kannst du empfehlen, unter so vielen Pseudonymen zu schreiben oder verliert man dabei doch leicht den Überblick?
Den Überblick habe ich nie verloren, denn jedes Pseudonym hatte ein fest umrissenes Genre. Ich würde mehrere Pseudonyme jedoch nicht unbedingt empfehlen. Bei mir war es hauptsächlich die Lust am Ausprobieren, wie die Leser auf unterschiedliche Images reagieren.
Hast du auch vor, andere Genres auszuprobieren? Wird es dafür dann ein anderes Pseudonym geben?
Ja, ich möchte mindestens noch einen Liebesroman, einen Fantasy- und einen SF-Roman schreiben, um herauszufinden, ob ich das überhaupt kann. Vielleicht denke ich mir dafür auch neue Pseudonyme aus, wer weiß!
Möchtest du noch gerne etwas sagen oder hast du einen Tipp für alle Federschwinger?
Erst einmal vielen Dank für die Möglichkeit, mich hier auszulassen!
Ich wurde vor Jahren gefragt, wie ich Kreativität definiere. Ich denke, das kann man immer noch so sagen:
Es gibt unzählige Möglichkeiten, sich auszudrücken. Das Schreiben ist eine davon, aber bei Weitem nicht die beste, tollste oder lukrativste. Wenn ich morgen denke: „Ach, heute lerne ich ein Instrument oder eine Sprache“, das tu ich das und beobachte mich dabei. Vielleicht schreibe ich anschließend das Ergebnis auf, vielleicht auch nicht. Die Entscheidung liegt ja bei mir, was ich daraus mache. Das ist für mich Kreativität.
Ihr seid auf den Geschmack gekommen und euch kribbeln bereits eigene Fragen unter den Fingernägeln? Dann ab ins Forum. Der Fragestundenbereich wird offiziell am Mittwoch, den 19.09. freigegeben. Michaela wird am Freitag dann eine Stunde lang eure Fragen beantworten.
Bis dahin! Wir freuen uns auf euch.