Kolumne | Gedankenchaos
Ich nehme einen tiefen Schluck aus der Tasse neben meinem Laptop, fühle mich dabei für einen kurzem Moment ein wenig zu cool angesichts der Tatsache, dass ich meinen Kaffee heute aus einem Zombiekopf trinke und richte meinen Blick im nächsten Moment wieder missmutig auf den Bildschirm vor mir. Dort tut sich gerade entgegen meiner Gewohnheit nicht mein bevorzugtes Textverarbeitungsprogramm Word, sondern Evernote auf, wo ich in einem riesigen Knäul an Notizen den Plot zu meinem aktuellen Projekt irgendwie versuche zu ordnen. Die Software bekommt das auch super hin – ich selbst bin viel mehr das Problem.
Warum? Weil zu einem guten Teil in meinem Kopf ein dauerhaftes Gedankenchaos herrscht. Ich habe eine gefühlte Million an Ideen, täglich kommen neue hinzu und jede erscheint mir besser als die vorherige. Man könnte sagen, dass ich inspiriert bin, aber darin liegt im Augenblick zugleich auch die Crux: Den wilden Strudel aus Ideen, der sich in meinem Hirn immer weiter aufbaut, zu ordnen hat sich nämlich als eine wahre Sisyphos-Arbeit herausgestellt.
Kaum habe ich eine Idee gut in die Geschichte eingegliedert und verarbeitet, wartet schon die nächste und macht mich wahnsinnig, denn auch wenn Idee A bestimmt toll war, so eröffnet Idee B vollkommen neue Möglichkeiten und ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Möglichkeiten nicht doch dringend brauche. Denn irgendwie ist der Plot im Moment so tierisch langweilig und ich kann mir nicht vorstellen, warum zur Hölle jemand diesen Scheiß lesen wollen würde.
Mein Kopf trifft den Tisch vor mir und rauscht dabei nur knapp an der Laptop-Tastatur vorbei. Manchmal würde ich am liebsten meine gesamte Story in eine Tabelle quetschen, irgendwie in eine Form pressen und logisch machen. Na ja, jedenfalls etwas mehr als dieses Chaos in meinem Kopf.
Ich glaube, eines Tages brauche ich eines dieser ganz großen Autorenklischees schlechthin: Eine riesige Wand, die mit lauter Post-its beklebt ist, so wie es immer diese schräge Autorentypen in irgendwelchen drittklassigen Liebeskomödien haben. Ihr wisst schon, die Kerle, die einen autobiographischen Bestseller schreiben, bei dem ihnen nach drei Vierteln des Textes auffällt, dass sie eigentlich die ganze Zeit über die eine wunderbare Frau geschrieben haben, die die ganze Zeit schon an ihrer Seite war.
Die Lovestory können diese Filme behalten, eines Tages werde ich nur so eine Post-it-Wand brauchen. Mit Zetteln in mindestens fünf verschiedenen Farben und am besten direkt einem Whiteboard daneben, auf dem ich Sinn in diese Zettelwirtschaft bringen kann.
Jedenfalls so lange bis mich dann doch wieder die Verzweiflung packt und ich alles runter reiße. Wobei, so betrachtet brauche ich vielleicht doch keine Post-it-Wand. Eher jemanden, der mir exzentrisches Verhalten bezahlt. Gibt es eigentlich ein Stipendium für Leute, die sich wie irre Autorenklischees benehmen wollen? Ich würde das sofort nehmen. Jederzeit. (Vielleicht sollte ich auch einfach statt der üblichen Prokrastination meine Gedanken richtig ordnen.)