Texte bearbeiten – Teil 2: Line Editing

Texte bearbeiten – Teil 2: Line Editing

Sobald das Triage Editing abgeschlossen ist, kann ich zur nächsten Phase übergehen: Der sprachlich-stilistischen Überarbeitung, auch Line Editing genannt.

Füllwörter tilgen

Im ersten Schritt wende ich mich den überflüssigen Wörtern zu. Füllwörter wie: jedoch, doch, dann, schließlich, also usw. Es ist ein ganz einfacher Schritt, denn mit der Suchfunktion meines Textverarbeitungsprogramms (erreichbar durch Strg+F) werden diese Unwörter schnell entdeckt und ebenso schnell gelöscht als hätte es sie nie gegeben. Sicher, an manchen Stellen werden sie fehlen, zu ca. 90% werde ich sie nicht brauchen. Und sollte dennoch eine Füllwort fehlen, werde ich das beim Lesen merken, und füge es wieder ein.


Laut lesen

Wie schon bei unseren Tipps zum Korrekturlesen zur Sprache gebracht wurde, ist es enorm hilfreich seinen Text laut zu lesen, um stilistische Fehler, lange Sätze oder schwer verständliche Formulierungen aufzudecken. Ich nehme mir immer das Kapitel zur Hand, das ich gerade bearbeite. Man kann sich seinen Text natürlich auch vorlesen – vom Computer durch Programme wie z.B. Balabolka. Gerade bei den Dialogen ist es interessant und wichtig zu wissen, wie sie sich gesprochen anhören. Da merkt man ohne große Analyse, ob der Text Atmosphäre, Rhythmus und Tempo hat.
Achtung! Die folgenden Schritte des Line Editings sind mehr oder weniger immer mit dem (lauten oder stillem) Lesen verbunden.

Kapitel straffen

Bevor ich damit beginne, den Text zu kürzen, frage ich mich, ob das Kapitel straff genug ist oder ich daran nochmal feilen muss. Dabei folge ich dem Tipp des Drehbuchautors William Goldman „Get in late and leave early“, was so viel bedeutet wie: Beginne eine Szene so spät wie möglich, kurz bevor die Spannung ansteigt, und beende sie so früh wie möglich, nachdem die Spannung wieder abflaut.
Quelle: Buchmedia

Jetzt wird’s bunt!

Ich empfehle dir bei dieser Phase der Überarbeitung viel mit Farben zu arbeiten. So fällt schnell auf, wo die eigenen Schwächen liegen und kann diese beim nächsten Manuskript leichter umgehen. Schritt für Schritt nehme ich meinen Text auseinander, markiere mir lange Sätze, Passivkonstruktionen, Adverbien, Adjektive und Wiederholungen. 

1. Lange Sätze kürzen

Komplizierte Verschachtelungen aus Haupt- und Nebensätzen haben in der Regel in einem flüssigen Text keinen Platz. Mit wenig Worten viel zum Ausdruck zu bringen, das ist die wahre Kunst. Einen Gedanken so auf den Punkt zu bringen, dass nur wenige Worte ausreichen. 

2. Passivkonstruktionen tilgen

Das ist leicht: „Ihr wart von uns informiert worden.“ ist wesentlich umständlicher als „Wir hatten euch informiert.“ Fast immer werden Passivkonstruktionen in den Aktiv umformuliert.

3. Adverbien und Adjektive aussortieren

Ebenso leicht: „Ich ging langsam über den Flur zur Treppe“ ist weniger aussagekräftig als „Ich schlich über den Flur zur Treppe.“ Mit Adverbien und Adjektiven gehe ich ähnlich vor wie mit Füllwörtern. Ich lösche sie erst einmal. Fehlt mir dann beim erneuten Lesen etwas, überlege ich mir, wie ich das Gleiche ohne Adverb/Adjektiv sagen kann.

4. Wiederholungen ausfindig machen und streichen

Wiederholungen gibt es auf Wort-, Satz- sowie Inhaltsebene. Sage ich das Gleiche mehrmals, nur ein bisschen anders? Verwende ich ein bestimmtes Wort zu oft? Fällt mir während des Lesens ein Wort besonders auf, wird abermals die Suchfunktion angeworfen. Taucht das Wort mehrmals auf einer Seite auf, muss ich es entweder löschen oder durch ein Synonym ersetzen. 
Auch die Satzanfänge innerhalb eines Absatzes sollten nicht immer gleich sein. Wenn jeder Satz mit „Ich“ anfängt, mag das zwar der Perspektive geschuldet sein, aber sorgt nicht für ein angenehmes Leseerlebnis. Manchmal kann das gut sein. Aber das ist eher eine Ausnahme und sollte dann auch sehr bewusst von mir beabsichtigt sein, wenn ich es als Stilmittel einsetze. Mehr zur Wiederholung als Stilmittel gibt es hier.

Dialoge personalisieren, straffen und Bedeutung verleihen

Kann sich die Figur auch kürzer fassen? Kann ich aus dem langen Monolog nicht auch einen Wortwechsel machen? Solche Fragen stelle ich mir beim Lesen von Dialogen nach spätestens fünf Sätzen, die eine Figur spricht. Außerdem prüfe ich, ob auch tatsächlich jede Figur ihre eigene Stimme hat. Hat sie Lieblingswörter, bevorzugt sie bestimmte Sätze und reagiert sie so, wie man es von jemandem in der Rolle und der Situation erwartet  bzw. reagiert sie entsprechend ihrer Motivation?
Bei einem Dialog muss ich stets darauf achten, dass es nicht nur eine Informationsebene gibt, sondern auch eine Beziehungsebene. Schließlich dienen Dialoge nicht nur dazu, dem Leser Informationen an die Hand zu geben, sondern auch dazu, die Figuren, die miteinander sprechen, und ihre Beziehung zueinander zu charakterisieren.
Show don’t tell!
Zeigen, statt nur beschreiben: „Vergeblich versuchte sie, die Augen offen zuhalten, die ihr immer wieder zu zufallen drohten. Ein Gähnen bahnte sich in ihrer Kehle an, das sie nicht unterdrücken konnte.“ ist anschaulicher als „Sie war müde.“

Geschafft! Das Manuskript ist überarbeitet! Nun wartet es nur noch darauf von mir an meine fleißigen Betaleser verteilt werden und dann beginnt die finale Phase der Manuskriptüberarbeitung: Anmerkungen von Testleser nahtlos in das Manuskript einarbeiten. 

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