Als Autor*in testlesen – pure Zeitverschwendung?
Testleser*innen sind ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zum fertigen Buch. Warum du sie brauchst, hat Francis aka Buchbummelant in einem Artikel bereits ausführlich erklärt. Hier soll es aber um die andere Perspektive gehen. Testlesen für andere Schreibende kostet natürlich Zeit, die man auch in den eigenen Text investieren könnte. Dennoch liebe ich es, Testleserin zu sein – nicht nur weil es Spaß macht, es bringt auch Vorteile. Im vergangenen Jahr hatte ich lange Zeit eine Schreibblockade, also habe ich für Freund*innen testgelesen. Unter anderem für C.S. Bieber und Mayra Herbst, deren Bücher vor kurzem beim Forever-Verlag erschienen sind und die als Dreamdrummer und Mone im Forum unterwegs sind. In diesem Jahr erscheinen wieder mindestens zwei Bücher, die ich vorab lesen durfte bzw. aktuell noch darf. Am Jahresende war ich zwar etwas enttäuscht über meinen Wordcount, aber der Stolz auf meine Buddies hat definitiv überwogen.
Erfahrung
Auch beim Lesen können Autor*innen etwas für ihre eigenen Projekte lernen. Die Plot-Strukturen festigen sich im Unterbewusstsein, Klischees lassen sich schneller erkennen und du kannst manche Schreibtipps besser verstehen. Warum Füllwörter doof sind, habe ich tatsächlich erst bei einem fremden Text bemerkt. In meinen Geschichten war ich immer der Meinung, die wären an genau der richtigen Stelle und würden zu meinem Schreibstil einfach dazu gehören. Nachdem ich in einem fremden Manuskript gefühlte 1.000 Mal geschrieben hatte, „das brauchst du nicht“, wurde mir klar, dass ich das auch nicht brauche.
Und auch Testlesen ist Lesen. Jetzt kann man selbstverständlich einwerfen, dass ein Manuskript, dass man testliest, nicht das Niveau eines Verlagsbuch hat. Beim Testlesen musst du mal mehr, mal weniger auf die Schwächen achten und auch aus den Fehlern Anderer kann man lernen. Da Testlesen mehr Aufmerksamkeit erfordert als „normales“ Freizeitlesen, würde ich sogar behaupten, dass man hierbei noch mehr lernen kann. Natürlich ist das auch anstrengender, es macht auch nicht immer so viel Spaß, aber als Testleser*in hast du auch jederzeit das Recht abzubrechen. Auch daraus können Autor*innen lernen und meistens ist es fairer, zu sagen, dass du es nicht schaffst oder die Geschichte dich nicht packst, als wochen- oder monatelang auf dein Feedback warten zu lassen.
Außerdem lernst du noch eine weitere Sache: die andere Seite kennen. Weitere Augenpaare über deinen Text schauen lassen, sollte zu deinem Arbeitsprozess bis zur fertigen Geschichte, fest dazugehören (unabhängig davon, ab wann du bereit bist, jemand anderem deinen Text zu zeigen). Wenn du zuvor schon testgelesen hast, kannst du unter Umständen das Feedback, dass du selbst erhältst, besser einordnen. Du kannst dir auch Vorgehensweisen von anderen abschauen und kannst vielleicht mehr Verständnis für deine eigenen Testleser*innen aufbringen, wenn deren Feedback ein paar Tage Verspätung hat.
Wenn du also für andere testliest, ist das keine „Zeitverschwendung“, sondern auch für dich ein kleiner Profit. Aber es gibt weitere gute Gründe, das zu übernehmen.
Netzwerken
Als Testleser*in stehst du dauerhaft in direktem Austausch mit Autor*innen für die du testliest. Ich muss dazu sagen, dass ich bislang (leider) nur für meine Writing-Buddies testgelesen habe – also Leute, die ich schon eine Weile kannte, bei denen ich teilweise auch den Entstehungsprozess der Geschichte mitbekommen habe und von denen ich ungefähr wusste, wie sie ticken. Dennoch hatte ich am Ende das Gefühl, diese Leute nochmal besser kennen gelernt bzw. den gemeinsamen Austausch noch verstärkt zu haben. Wenn du für andere Autor*innen testliest, findest du vielleicht auch einen Writing- oder Brainstorming-Buddy, wenn es zwischen euch passt und ihr in einer ähnlichen Richtung unterwegs seid.
Außerdem sind nahezu alle Autor*innen unglaublich dankbar, wenn du dir den noch nicht perfekten Text durchliest und konstruktives und hilfreiches Feedback gibst – auf was du dabei achten solltest, erkläre ich weiter unten in diesem Artikel nochmal. Manche erwähnen dich in ihrer Danksagung (was übrigens ein verdammt cooles Gefühl ist 😉 ), andere revanchieren sich und lesen auch für dich mal einen Text. So kann eine dauerhafte Zusammenarbeit entstehen. Es gibt natürlich auch einige Contras, jemanden, den du „kennst“ deine Geschichte testlesen zu lassen. Der Vorteil einer solchen Zusammenarbeit ist allerdings, dass beide Seiten das Feedback, das sie erhalten, besser einordnen können. Man kennt den Geschmack des jeweils Anderen und erkennt subjektive Ansichten schneller. Eine meiner Buddies steht beispielsweise darauf, wenn es zwischen den beiden Protagonist*innen von Anfang an heftig knistert, während ich es meine immer langsamer angehen lasse. Wenn ich ihr also schreibe, dass es mir ein bisschen zu schnell geht oder sie umgekehrt bei mir die Romantik am Anfang vermisst, wissen wir inzwischen eigentlich ganz gut, wie wir das einzuordnen haben. Das schließt natürlich nicht aus, noch weitere Meinungen einzuholen!
Halten wir fest: Testlesen für andere, schafft eine Verbindung zu diesen Autor*innen. Du musst es auch immer so sehen: Jemand anderen einen Text lesen zu lassen, ist gerade zu Beginn ein großer Schritt und dir vertrauen sie genug, um ihn dir zu geben. Ist das nicht auch ein großartiges Gefühl?
Der direkte Austausch
Den direkten Austausch habe ich im vorherigen Absatz schon angesprochen, aber hier geht es nicht nur um die Kommunikation, die eine Verbindung schaffen kann. Kennst du das, wenn du ein Buch liest und der*m Autor*in gerne mitteilen willst, wie genial Szene x ist, wie gut du dich in Figur y hineinversetzen kannst oder auch, wie sehr dich der Plottwist z aufgeregt hat? Beim Testlesen ist das sogar dein Job und das Beste daran: du erhältst sogar eine Reaktion darauf und kannst Verbesserungsvorschläge machen, wenn dir etwas gar nicht gepasst hat – vielleicht wird dieser Vorschlag sogar übernommen.
Testlesen – aber wie?
Du hast noch nie zuvor testgelesen, aber würdest es gerne mal probieren? Es gibt auf Facebook Gruppen, in denen Autor*innen nach Testleser*innen suchen können, manche fragen auch auf Twitter oder im Forum, ob jemand Zeit und Lust hätte. Klär vorher immer ab, um was es in der Geschichte geht, wie lang sie ist, bis wann du Zeit hast und was genau von dir erwartet wird – letzteres hilft, den Frust auf beiden Seiten zu reduzieren. Natürlich kannst du auch mehr anmerken, als die Autor*innen dich gebeten haben, aber erwarte keine unendliche Dankbarkeit dafür, dass du jeden Komma-Fehler anmerkst, obwohl dein Leseauftrag war, auf die Figurenentwicklung und Logik zu achten. Überleg dir auch, ob du wirklich gerade Zeit dafür hast – es kann im Leben zwar immer etwas dazwischen kommen und die meisten haben dafür auch Verständnis. Wenn du allerdings von Mitte Januar bis Ende Februar ein Manuskript lesen sollst und du beispielsweise die Klausurenphase noch in diesem Zeitraum hast, solltest du gut darüber nachdenken, ob du dieser Verpflichtung nachgehen willst. Andere dann plötzlich hängen lassen, ist doof. Wenn du merkst, dir reicht die Zeit nicht, gib den Autor*innen rechtzeitig Bescheid, dann könnt ihr vielleicht gemeinsam eine Lösung finden – die meisten räumen dann etwas mehr Zeit ein, aber es ist wichtig, dass sie wissen, dass da noch etwas kommt. Kalkuliere auch die Zeit, die du für die Beantwortung eines Fragebogens o.ä. brauchst, den du eventuell erhalten hast, mit ein.
Wie oben schon angesprochen, wenn du beim Lesen merkst, dir gefällt die Geschichte nicht, hast du jederzeit das Recht, abzubrechen. Du bist zu nichts verpflichtet, dennoch ist es für die Autor*innen „schön“, wenn du diese Entscheidung begründest, denn mit einem einfachen „sorry, gefällt mir nicht, hab keine Lust weiterzulesen“, kann niemand etwas anfangen. Was gefällt dir nicht? Die Handlung, der Stil oder nervt dich einfach die verdammte Hauptfigur?
Und das wichtigste: achte darauf, wie du dein Feedback formulierst. Sei nicht zu nett, weil du keine Gefühle verletzen willst – das hilft niemandem. Aber sei auch nicht demotivierend. Ein harsches „das ist alles Mist“ ohne Begründung ist genauso wenig hilfreich wie „eine tolle Geschichte“. Natürlich kann dein Feedback überwiegend positiv sein, aber nimm dir dann auch die Zeit, das zu begründen. Du findest Figur A unglaublich sympathisch? Versuch den Finger drauf zu legen und zu erklären, warum. Du magst den Stil? Überleg dir genau, warum das so ist. Du kannst auch Formulierungen hervorheben, die du besonders gelungen findest. Francis aka Buchbummelant hat von mir auch überwiegend positives Feedback erhalten (außer sie war fies zu ihren Figuren, die ich unglaublich liebe!) und trotzdem glaube und hoffe ich, dass das für sie in irgendeiner Form hilfreich war. Wenn dir etwas nicht gefällt, kannst du auch dazu schreiben, was du vielleicht ändern würdest – aber erwarte nicht, dass die Autor*innen diesen Vorschlag übernehmen. Sieh es als Option, die du ihnen aufzeigst, und wenn du eine spätere Version der Geschichte nochmal zu lesen bekommst oder auch die fertige, wenn das Buch erscheint, sei nicht eingeschnappt, wenn nicht alles, was du kritisiert hast, geändert wurde. Deine Anmerkungen sind deine subjektive Meinung und nichts, was zwingend übernommen werden muss.
Zum Schluss noch ein Tipp, falls du bei negativer Kritik immer ein schlechtes Gefühl hast: die Sandwichmethode. Pack deine negative Kritik wie einen Belag in ein Brötchen aus kleinen Komplimenten. Es ist selten alles Mist. Auch wenn dir die Umsetzung nicht gefällt, wird die wahrscheinlich die Grundidee gefallen haben, wenn du dich dazu entschlossen hast, die Geschichte zu lesen. Erinnere die Autor*innen nochmal daran – das wird sie vielleicht wieder ein bisschen aufbauen.
Falls du dich auch noch mit der Autor*innen-Seite zu diesem Thema beschäftigen willst, ist vor kurzem ein ganz wunderbarer Artikel von Francis hier im Magazin erschienen: willst du mein Manuskript … testlesen?
Und falls ich dich überzeugen konnte: sag bei der nächsten Gelegenheit doch einfach „Ja, ich will“.
Hast du auch schon mal testgelesen? Wie ist es dir dabei ergangen und was hast du persönlich daraus lernen können?
4 Gedanken zu „Als Autor*in testlesen – pure Zeitverschwendung?“
Ich habe all das auch beobachten können. Inzwischen durfte ich einige Kurzgeschichten und einen Roman testlesen. Mich ‚kritisch‘ (im Sinne von hinterfragend) mit fremden Texten zu beschäftigen, hilft mir für mein eigenes Schreiben und Überarbeiten. Ich merke, wie ich von anderen Schreibstilen profitiere; wie ich daran lerne, klarere Formulierungen zu suchen oder auch dadurch, dass ich versuche zu beschreiben, was mich an einem Text bewegt, was mir gut gefällt oder was mich stört.
Das Testlesen bringt mich selbst schreiberisch weiter, davon bin ich überzeugt.
Toller Artikel!
Hey Azul Celeste,
Freut mich, dass dir der Artikel gefallen hat <3
Stimmt, klar sagen zu müssen, was gut und was schlecht war, ist auch eine super Übung. Ich glaube, dadurch lernt man auch immer mehr darüber, was man selbst mag und wie man eigentlich schreiben will.
LG Cassiopeia
Ja, ich habe bereits einmal einen Krimi testgelesen. Hat mir auch Spaß gemacht. Ich habe den Vorteil, dass ich jeden Tag insgesamt zwei Stunden pendle. Und das Testlesen hat – im Gegensatz zum Schreiben – im Zug hervorragend geklappt. Deshalb hat es mir auch nicht großartig Zeit „gestohlen“ (vielleicht hätte ich während der Zeit andere Bücher gelesen, aber – was solls? Schließlich konnte ich dem Autor damit helfen). Mich hat an dieser Aufgabe besonders gereizt, eine Geschichte in die Hände zu bekommen, die vorher nie jemand gelesen hatte (mit Ausnahme des Autors). Ich würde es wieder tun, bin aber sehr genregebunden. Würde also nur Genres testlesen, von denen ich selbst ein wenig Ahnung habe. Beispielsweise lese ich „fertige“ Fantasy-Bücher ab und zu ganz gern, wäre aber als Testleser ungeeignet, weil ich mich dafür zu wenig damit auskenne.
Hey Marina,
Danke für deinen Kommmentar! Wenn dir die Geschichte gefallen hat, ist das ja auch nicht schlechter als andere Bücher 😉
Ich habe bislang auch nur in „meinem“ Genre testgelesen und bin mir nicht sicher, ob ich es in anderen Genre könnte. Aber ich denke, wenn man „fertige“ Bücher aus dem Genre liest, geht das auch.
LG Cassiopeia