Dialoge als dramaturgisches Kunstwerk
Dialoge schreiben ist hohe Kunst.
Diese Kunst erfordert Übung in der Abstraktion, denn ein Dialog darf niemals nur schmückendes Beiwerk sein. Wer sich dies beim Schreiben nicht bewusst macht, sollte auf Dialoge verzichten.
Geht das denn?
Die Antwort ist simpel: Nein. Sobald Figuren interagieren, wird immer auch Kommunikation stattfinden – in irgendeiner Form.
Formale Betrachtung
Per Definition ist ein Dialog ein Zwiegespräch zwischen mindestens zwei Figuren nach dem Prinzip der abwechselnd geführten Rede und Gegenrede.
Wenn man sich dieses Grundprinzip verdeutlicht, wird schnell klar, welche dramaturgische Funktion damit verknüpft ist: Zwei (oder mehrere) Figuren treten miteinander in Interaktion. Dialoge sind also auch immer eine bewusste Aktion und damit handlungsrelevant.
(Reiner Informationsfluss von Sprecher A zu B ist immer einseitige Kommunikation. Die textliche Ausführung als direkte oder indirekte Rede – bei Aussage, Ausruf oder Order – hat also erst einmal nichts mit Dialogführung zu tun.)
Als literarisches Mittel dienen Dialogszenen der besonders lebendigen Darstellung eines Inhaltes. So kann bspw. ein Thema in kurzem Abstand von verschiedenen Seiten beleuchtet werden. Im Gespräch werden abweichende Positionen vermittelt oder gegeneinander ausgespielt, das Einverständnis zwischen den Figuren dargestellt oder die Reibung, die zugespitzt im Konflikt enden kann.
Der Dialog im Roman ist jedoch kein wissenschaftlicher Diskurs mit Erörterung von These und Antithese, sondern ein energiegeladenes Ping-Pong-Spiel, das Informationen komprimiert und auf den Punkt bringt, Impulse setzt, das Tempo der Erzählung erhöht, Figuren Neuigkeiten und Geheimnisse verraten lässt.
Dramaturgische Relevanz
Dialoge erfüllen zwei wesentliche Funktionen innerhalb einer Geschichte: Sie dienen entweder der Charakterisierung von Figuren oder der Entwicklung von Handlung.
Solche Gespräche, die zwischen zwei (oder mehreren) Interessengruppen geführt werden, können unterschiedliche Zwecke erfüllen. Inhaltlich geht es – ganz nüchtern – um Interessensabgleich.
Die Art der Ausführung sollte der Intention entsprechen, die der Autor in die jeweilige Szene legt:
- Figuren Profil geben (Charakter und Emotion)
- Handlung vorantreiben
- Hintergrundinfos (zur Story oder den Figuren) liefern
- Konflikte ausleben
- Impulse setzen (Wendungen herbeiführen)
- Thema erörtern
Achtung vor Info-Dump: Diese Informationen für den Leser im Dialog unterzubringen bedeutet nicht, ihn monologartig ausufern zu lassen. Ganz im Gegenteil geht es um Verknappung, Verdichtung und Selektion.
Die Wirkung der Worte lässt sich anhand der Frage bemessen: „Was nützt das für die Geschichte?“
Atmosphäre und Dynamik
Für Dialoggestaltung gilt dasselbe Prinzip wie sonst auch beim Schreiben einer Geschichte:
Es geht um Storytelling und Dramaturgie. Sei er auch noch so kurz – ein Dialog sollte immer einen Spannungsbogen und einen Emotionsbogen beinhalten.
Im Roman sind Dialoge eingebettet in den Erzähltext, der den Eindruck von der Atmosphäre und der Situation vermittelt.
Das, was außerhalb der Rede passiert – also Angaben zu Gestik, Mimik, Bewegungen im Raum, Hintergrundgeschehen –, sollte eine Dialogszene abrunden, nicht ablenken. Beschreibungen des Settings sollte man ebenso nach ihrer Sinnfälligkeit untersuchen und darauf achten, dass diese nicht rein dekorativen Charakter haben.
Länge und Gewichtung
Die formale Umsetzung bietet genau zwei Möglichkeiten: Dialogszenen und begleitende Dialoge.
Bei der Wahl kommt es darauf an, was genau vermittelt werden soll und wie viel Information benötigt wird, um die Szene voranzutreiben – oder eben zu verlangsamen, um der Situation mehr Raum zu geben.
Eines darf man dabei nicht vergessen: Dialoge bremsen den Lesefluss – allein durch die übliche Form des (Schrift-)Satzes und der formalen Kennzeichnung bei direkter und indirekter Rede. Der Leser nimmt Dialogszenen also sehr konzentriert wahr, d. h. gerade dieses Gestaltungsmittel birgt die Gefahr in sich, dass der Leser ermüdet, wenn sich hier keine Faszination und Neugierde auf den Fortlauf des Schlagabtauschs einstellt.
Entscheidend sind dabei Tempo und Länge eines Dialoges. Der Redeanteil, also die Sprechzeit einer Figur hängt davon ab, wie viel Information über diese Figur der Autor dem Leser an dieser Stelle mitgeben möchte.
Die Form der Gesprächsführung richtet sich nach der Art der Szene: Will der Autor hier dialektisch ein Thema erörtern (Gedankenaustausch oder Konflikt) oder Hintergrundinfos zur Story oder den Figuren einflechten, nimmt dies naturgemäß mehr Raum ein.
Kurze Einschübe – Frage und Antwort oder Aussage und Gegenrede – dienen meist dazu, eine Wendung herbeizuführen und die Handlung schnell voranzubringen.
Welche Dialogform gewählt wird, hat also nicht unbedingt etwas mit der Bedeutung der Szene zu tun, sondern hängt im Wesentlichen mit der Situation zusammen, in der sich die Figuren befinden.