Kolumne: Über die unsympathische Sympathie

Kolumne: Über die unsympathische Sympathie

In letzter Zeit gab es viele Themen, die mich beschäftigten. So teilte ich beispielsweise die Aufregung darüber, dass einige Personen plötzlich die Meinung verbreiten wollten, dass SPler (Self-Publisher) nicht mit dem Niveau von Verlagsautoren mithalten können und einen „Markt für das Minderwertige“ geschaffen haben. Um nicht von der Allgemeinheit zu sprechen, hat man geschickt die Anklage auf die „schwarzen Schafe“ der Branche gelenkt, dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass damit alle gemeint waren. Doch seien wir ehrlich, schwarze Schafe gibt es auch im Verlagswesen bzw. in jeder Branche. Aber HALT, dieses Thema hat es nicht in meine heutige Kolumne geschafft. Auch die Frage, wie die Gesellschaft sich hinsichtlich ihres Preisverhaltens entwickelt, soll heute nicht behandelt werden. Die kleine Abstimmung in der Facebook-Gruppe „schreibnacht.de“ hat ergeben, dass ihr nicht über 99 Cent-E-Books sprechen wollt, sondern über die Charakterentwicklung. Das Augenmerk dieses Kolumnenbeitrages liegt somit auf dem Konstrukt der Sympathie. Ihr wolltet von mir wissen, was eine Figur sympathisch macht und wann ein Charakter unsympathisch wirkt.
Ich muss zugeben, dass es definitiv das schwierigste Thema unter den von mir vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten war. Schließlich kann ich hier nicht nur auf meine eigenen Erfahrungen zurückgreifen, denn welche Allgemeingültigkeit würde dann noch in meinen Aussagen stecken? Um diesem Beitrag ausnahmsweise die Subjektivität zu nehmen, die bei einer Kolumne doch durchaus üblich ist, wagte ich mich auf andere Pfade und band euch in die Thematik ein. Auf unserer Facebook-Seite habe ich euch gefragt:

„Welche Figur ist euch unsympathisch?“

Bald schon trudelten einige Antworten ein, die mich direkt zu meiner ersten Erkenntnis brachten:

Es gibt Charaktere, die finden wir alle unsympathisch – wie etwa Prof. Umbridge aus Harry Potter oder King Joffrey aus Game of Thrones – und es gibt Charaktere, die die Meinungen spalten können: Ronald Weasley (Harry Potter) wie auch Tris (Die Bestimmung).
Nach einiger Zeit, kam folgendes Schaubild dabei heraus:

Natürlich habe ich es im Nachhinein noch erweitert. Doch die dann etwas unordentlich wirkende Mind-Map werde ich euch nun tatsächlich vorenthalten. Außerdem werden wir ohnehin noch auf die verschiedenen Aspekte eingehen.

Nach einiger Überlegung, habe ich mich für folgende Aufteilung entschieden:

  1. Das Aussehen: verkniffene Lippen vs. ausdruckslose Augen
  2. Der Charakter: unverzeihbare Charakterzüge vs. nervige Eigenschaften
  3. Stereotype: Wahrheit vs. Chance

1. Das Aussehen

Beim Durchsehen der Namen ist mir aufgefallen, dass unsympathische Charaktere häufig auch sehr strenge und verkniffene Gesichtszüge aufweisen. Also zusammengezogene Augenbrauen, verkniffene Lippen und ein starrer Blick:

Quelle:

Diese Figuren wirken in der Regel auf uns alle unsympathisch. Sie strahlen regelrecht aus, dass sie sich überlegen fühlen und ihre eigene Wege als Ideale ansehen. Ihre Weltvorstellungen sind festgefahren und sie selbst stehen im Mittelpunkt. Mehr zu diesen Charakterzügen kommt aber noch in Punkt 2.

Dann gibt es ja noch die, die einige als unsympathisch wahrnehmen und andere eben nicht:

Quelle:

Ich finde, dass diese Figuren eins gemeinsam haben: Ihr Gesichtsausdruck ist irgendwie emotionslos und langweilig. Irgendwie ist da eine Ausdruckslosigkeit in ihren Augen, die mich persönlich stört, wodurch sie für mich unsympathisch wirken. Doch ihr merkt an meiner Ausdrucksweise: So sehe ich das. Allerdings muss ich hier ergänzen, dass ich es bei Ron erst nicht ganz nachvollziehen konnte, denn ich finde ihn irgendwie sympathisch. Die Ursache liegt für mich in seinem tollpatschigen Verhalten. Erst beim Erstellen der Collage fiel mir eine gewisse Gemeinsamkeit zu den anderen Figuren auf.

Was denkt ihr darüber? Nutzt doch einfach die Kommentarfunktion und sagt mir, wie ihr zu den ausgewählten Charakteren steht und ob ihr meine Beobachtung nachvollziehen könnt 😉

Jetzt wissen wir, wie eine Figur unsympathisch aussehen kann. Was macht also sympathisch? Für mich ganz weit oben ist ein ehrliches Lächeln:

Quelle: 

Der Rest macht dann noch die Kombination aus Charakterzügen aus, worauf ich nun eingehen werde.

2. Der Charakter

Tja, da gerade in Büchern vieles unserer Fantasie überlassen ist und das Aussehen beim Lesen eher zur Nebensache wird, konzentrieren wir uns in diesem Teil auf Charakterzüge, die jeden aus der Haut fahren lassen können. Eben habe ich es zum Teil schon angeschnitten. Unsympathisch wirken auf jeden Fall die Menschen, die stur und uneinsichtig sind. An der eigenen Meinung wird festgehalten, Kritik wird nicht angenommen und eine Charakterentwicklung ist nicht zu sehen. Diese Menschen sehen sich selbst als Perfektion an und sind in der Regel egoistisch veranlagt. Wenn sie dann noch aus Spaß Tiere oder Menschen quälen, haben sie gänzlich die Sympathie der Leser bzw. Zuschauer verloren. Das geht gar nicht! Aber diese Figuren würden über Leichen gehen, um ihre Ziele zu erreichen, denn die Gefühle anderer sind ihnen egal.

Nun gibt es auch noch Wesenszüge, die zwar nervig sind, aber doch von einigen Menschen (in Maßen) akzeptiert werden können. Dazu gehören die folgenden Eigenschaften:

  • Entscheidungslosigkeit: Die Personen leiden unter akuter Meinungslosigkeit, die meist aus einer gewissen Unsicherheit resultiert. Aus Angst etwas verkehrt zu machen bzw. die falsche Entscheidung zu treffen, weichen sie häufig auf die „weiß ich nicht“-Variante aus und spielen den Entscheidungsball den Anderen zu.
  • „Ich kann das nicht“: Wer kennt dieses Phänomen nicht? In der Regel erfährt die ahnungslose Protagonistin, dass sie dazu auserwählt ist, die Welt zu retten. Diese Überforderung wird von Autoren durch eine gewisse Unbeholfenheit vermittelt. Bis zu einem gewissen Grad ist diese auch nachvollziehbar, doch wenn die Figur sich an diesem „Strohhalm“ festklammert und sich weigert, das Beste aus der verzwickten Lage zu machen, nervt es nur noch.
  • „Ich kann alles“: Ja, da haben wir das andere Extrem. Der Normalo ist plötzlich ein Auserwählter und schwupps, gelingt ihm einfach alles. Der Autor vermeidet es, seiner Lieblingsfigur Steine in den Weg zu legen und wenn doch, dann meistert der Charakter die Situation mit Bravour oder es kommt ihm einer zur Hilfe, der den Weg freiräumt. Wenn einfach alles viel zu leicht erscheint, verliert die Geschichte nicht nur an Spannung, der Charakter büßt auch an Sympathie ein.
  • Überzogene Eigenschaften: Es gibt Charakterzüge, die Personen von anderen abheben und diese dadurch besonders werden lassen:
    • Allgemeine Intelligenz: Lydia Martin (Teen Wolf) und Hermine Granger (Harry Potter).
    • Außergewöhnliche Fähigkeiten: das sehr gute Gedächtnis von Carrie Wells (Unforgettable) oder die Beste in ihrem Fachgebiet – Dr. Temperance Brennan (Bones). 
    • Liebenswürdige „Verrücktheit“: Der Doctor (Doctor Who) sowie Adrian Monk (Monk)

Nun gibt es zwei Fehler, die man in diesem Zusammenhang begehen kann:

  1. „Ich kann alles“ – Aufgrund der besonderen Eigenschaften werden Probleme und Geheimnisse in Null-Komma-Nichts gelöst – LANGWEILIG!
  2. Falsche Gewichtung – Der Autor betont immer und immer wieder, wie toll es doch ist, diese Eigenschaft zu haben und verbindet diese Tatsache am besten noch mit Nummer 1. Das Resultat: Antipathie!

Also, wenn ich meine Analyse nun mal aus der Ferne betrachte (es heißt ja, dass man dann einen guten Überblick erhält), so muss ich doch sagen, dass meine Anfangserkenntnis, es gäbe zwei Betrachtungsweisen in Hinblick auf das Konstrukt der Antipathie, sich auch bei der weiteren Betrachtung bestätigt hat. (Ich entschuldige mich für diesen Schachtelsatz).

Ich komme somit zu folgenden Erkenntnissen:

Es gibt Charakterzüge, die unverzeihlich wirken und bei jedem die gleiche Reaktion hervorrufen.

 Die Gesichtszüge können das Phänomen unterstützen bzw. in Kombination mit anderen guten Eigenschaften entkräften.

 Es kommt auf die Verteilung an. Gibt man zu viel Salz in die Suppe, dann ist die Suppe versalzen → eine Übertreibung kann zur Antipathie führen. 

Hach, der (vor)letzte Satz ist spitze. Auch hierfür entschuldige ich mich: Es ist spät und dann neige ich dazu, zu philosophisch zu werden.

Bevor ich mir und ebenso euch, jedoch das Ende gönne, will ich noch eine Sache ergänzen.

3. Stereotype

Die Gesellschaft lässt uns mit Vorurteilen aufwachsen:

  • das dumme Blondchen/die eingebildete Tussi
  • der Langweiler vom Land
  • die „Assi-Bratze“ 
  • der grapschende Asylant

Gerade letzteres ist ein heikles Thema. Natürlich missbillige ich die Situation aus der Silvesternacht am Kölner Hbf sowie auch jede verbale oder körperliche Belästigung Frauen und auch Männern gegenüber – allerdings halte ich nichts von Verallgemeinerungen. Deswegen ist nicht jeder Ausländer schlecht oder Deutscher gut und wieso muss man überhaupt in den Medien auf diese Unterscheidung beharren? Ist nicht der Charakter entscheidend? Zuvor konnten wir doch feststellen, dass das Äußere nur eine oberflächliche Betrachtung ist und Sympathie sich aus einem Zusammenspiel von Wesenszügen und Aussehen in Form von Mimik und Gestik ergibt. In Büchern, Filmen und sogar im wahren Leben können uns diese festgefahrenen Vorurteile um tolle Erfahrungen bringen: Nur weil einer tätowiert ist, muss er nicht böse sein. Nur, weil jemand sich für Mode interessiert, muss diese Person nicht einbildet sein. In Büchern und Filmen wirkt es übrigens viel unsympathischer, wenn sich solche Vorurteile bewahrheiten.

Mein folgendes Schaubild, fasst euch das Wesentliche zusammen:

Quelle:
Eigene Darstellung in Anlehnung an Merk, J./Meister, A.: Studienbrief Markt- und Werbepsychologie, 1. Auflage. Riedlingen. 2013, S. 54ff.

Ich hoffe, ihr habt einen guten Überblick in die Thematik gewonnen. Es war wirklich nicht leicht, dieses Konstrukt auf den Punkt zu bringen.

Über euer Feedback freue ich mich sehr.
Bis zum nächsten Mal 😉

Eure 
Patricia

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