Mein Protagonist hat ’ne Macke!
Gerade hat unser Held ein Kind gerettet, einen Bus voll Welpen vor dem Sturz von der Brücke bewahrt, seine Frau geküsst und von zwanzig Verehrerinnen die Telefonnummern zugesteckt bekommen, während er mit einer Hand eine Gruppe Bankräuber an der Flucht hinderte. Danach sieht er, dass er im Lotto gewonnen hat und sich endlich den Anbau für sein privates Parkhaus leisten kann, welches bereits voll mit Sportwägen steht. Als nächstes kriegt er im Beruf eine Beförderung, eine Gehaltserhöhung und denkt schon über einen Hangar für all seine Privatflugzeuge nach, als…
Langweile ich euch? Kein Wunder, denn die oben beschriebene Figur ist einfach total öde. Ihr gelingt alles, sie macht keine Fehler und hat nur Glück. Ätzend, oder? Und vollkommen unrealistisch, denn kein Mensch hat nur Glück im Leben. Egal wie schön, reich oder schlau er ist. Jeder Mensch hat Angst vor irgendetwas, besitzt irgendeine Macke, die andere in den Wahnsinn treibt oder die ihm selbst das Leben schwer macht. Und seien wir doch mal ehrlich: Eine solche Figur ist viel interessanter als ein Mister Perfect!
Nehmen wir die Fernsehserie „Monk“, in welcher es um einen genialen Ermittler geht, der allerdings auch unter jeder erdenklichen Phobie leidet. Er löst die Fälle, klar, aber immer wieder stehen ihm die Angst vor Schmutz und Keimen im Weg. Ist etwas nicht gerade, muss er es richten, bevor er weiter geht. Liegt im Wunschbrunnen eine ungerade Zahl an Kleingeld, muss er welches herausnehmen, um die Zahl zu begradigen.
Perfekte Helden sind langweilig. Mit solchen, die Schwächen haben, können wir uns nicht nur besser vergleichen, sie machen die Handlung auch spannender. Unsere Figur könnte eine Krankheit haben, wegen welcher sie sich alle paar Stunden eine Spritze geben muss, um weiterleben zu können. Vielleicht führt sie Selbstgespräche, hat irgendeinen Tick, der sie immer wieder veranlasst etwas zu tun, dass sie sich selber nicht erklären kann. Stottert sie? Hat sie irgendwelche Zuckungen? Die Liste der Dinge, mit welcher ihr eure Figur interessanter gestalten könnt, ist endlos und nicht nur auf Phobien oder körperliche Behinderungen beschränkt. Bei solchen solltet ihr auch mit dem nötigen Respekt herangehen, denn es soll ja keiner beleidigt werden. Ein Kunststück, dass „Monk“ zum Beispiel hervorragend gelang. Sogar Phobiker sind große Fans der Serie.
Oder es sind andere Probleme, die euren Helden plagen. Das Privatleben unseres Helden ist ein Trümmerhaufen, was schlimm genug zu seien scheint, aber ausgerechnet jetzt muss er in die Schlacht ziehen, um die Welt zu retten. Der Haken: Er darf es niemandem sagen. Weder seiner Freundin, mit der es ohnehin gerade nicht rund läuft, noch seinen Eltern, die sich um ihn sorgen, weil er in den falschen Kreisen verkehrt und sich so lange nicht gemeldet hat, Und sein Chef, der ihn schon mit einem Bein auf die Straße gesetzt hat. Aber bis er sich darum kümmern kann, wird es noch dauern. Es spielt immer mal wieder eine Rolle und macht die Figur interessant, weil wir wissen wollen, wie der Held damit umgeht.
Lasst euren Helden leiden. Jagt ihn durch den Fleischwolf und flickt ihn wieder zusammen. Ihr werdet sehen, es macht so viel mehr Spaß über ihn zu schreiben und dem Leser wird es gefallen, darüber zu lesen.