Texte bearbeiten – Teil 1: Triage Editing

Texte bearbeiten – Teil 1: Triage Editing


Ich plotte für mein Leben gern. Doch obwohl ich meine Texte detailliert plane, bevor ich mit dem ersten Entwurf beginne, fällt mir während dem Schreiben noch Vieles ein. Neue Ideen, die meist besser sind als die alten, und gerne improvisiere ich auch mal ganze Szenen. Der erste Entwurf wird so schnell zu einem Flickenteppich, in dem kein Kapitel mehr zum anderen passt. 
Die meisten Dinge, die nicht mehr zusammenpassen, sind nicht entscheidend, sondern viele kleine Details, die hier und da die Spannung erhöhen, einen Konflikt auf die Spitze treiben oder etwas anschaulicher machen. Das kann so natürlich nicht bleiben. Der Leser erwartet zurecht eine Geschichte, in der Informationen logisch aufeinander aufbauen, Figuren sich nicht sprunghaft oder ohne erkennbare Motivation verändern. Der Text braucht Überarbeitung! 
 
Quelle: Buchmedia
Struktur durch Karteikarten
Zunächst nehme ich mir Karteikarten zur Hand – für mich eines der wichtigen Werkzeuge für einen Autor in Papierform wie in ihrer digitalen Variante – und halte für jedes Kapitel fest:
  • was die Figuren fühlen, wollen und tun
  • welche Informationen der Leser bekommt und
  • welche dramatischen Fragen aufgeworfen und werden in den nächsten Kapiteln unbedingt beantwortet werden müssen.
Wichtig! Ich dokumentiere auf den Karten nicht wie die Kapitel jetzt sind, sondern wie sie nach aktuellem Stand der Dinge sein sollten. Aus diesem Spannungsverhältnis entwickelt sich für jedes Kapitel eine Übersicht der Dinge, die geändert werden müssen. 
Details, Details, Details
Nun beginnt die eigentlich Detailarbeit. Während das Schreiben des ersten Entwurfs noch viel Spaß macht, weil man sich wie auf einer leeren Leinwand austoben und experimentieren kann, ist das Triage Editing nervenaufreibend, wie ein Puzzlespiel, bei dem Teile fehlen. Figuren und Plot bekommen nun ihren Feinschliff, das heißt aber nicht, dass der Text insgesamt schon fertig wäre. Sprachlich und stilistisch liegt noch bergeweise Arbeit vor mir. Adverbien und Adjektive müssen getilgt werden, Sätze sind zu lang, Dialoge unglaubwürdig, platt usw.

Es juckt in den Fingern. Am liebsten würde ich alles auf einmal ändern. Aber so lange die Handlung nicht stimmt, Spannung fehlt und dramatische Fragen unbeantwortet bleiben, die Figuren nicht rund sind und der Informationsfluss nicht funktioniert, vergeude ich nur meine Zeit damit, jetzt an meinem Schreibstil zu feilen. Am Ende muss ich mühevoll ausgearbeitete Absätze wieder löschen, weil sie einfach nicht mehr zur Geschichte passen.

Die Verzweiflung überwinden
Eigentlich weiß ich, dass dieser Punkt kommt, aber immer wieder erwischt er mich eiskalt… Ich habe meine Karteikarten, der Masterplan liegt griffbereit an meiner Seite und mit frischem Tatendrang gehe ich ans Werk. Und dann kommt der Frust. Nichts passt zusammen, der Berg an Arbeit, der vor mir liegt wird immer größer. In den entscheidenden Kapiteln muss viel mehr getan werden, als ich zunächst dachte … Ich möchte alles hinschmeißen und drücke mich vorm Schreiben, indem ich sinnlos durchs Internet surfe, und müsste die Wohnung nicht auch mal wieder geputzt werden?

Da hilft nur eines: Ruhe bewahren, tief durchatmen – vielleicht einen Spaziergang machen? – mich an den Plan halten. und noch einmal in ältere Kapitel gehen, ändern, was geändert werden muss, und vor allem: mit anderen über die Probleme reden. Oft ist man selbst betriebsblind, bauscht Probleme unnötig auf und sieht Schwierigkeiten, wo gar keine sind. Ist der tote Punkt überwunden, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Spätestens im letzten Drittel mit dem Ziel vor Augen, kehrt der Spaß am Überarbeiten zurück. Und am Ende kann ich mich zurücklehnen und stolz auf mich sein – bis dann in der nächsten Überarbeitungsphase alles wieder von vorne beginnt.

Tipp: In der „Textwerkstatt“ unseres Forums kannst du dich mit anderen über deine Texte sprechen, konstruktive Kritik und Meinungen einholen, wenn du beim Überarbeiten vielleicht mal aus einer Mücke einen Elefanten gemacht hast.

Viel Erfolg und Spaß beim Überarbeiten!

Wie gehst du beim Überarbeiten deiner Texte vor? 
Wie überwindest du die Verzweiflung nach dem ersten Drittel?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert