Von Kampf-Zicken und Jungfern in Nöten: Frauen im Fantasy-Genre
Manchmal ist es schwer als Frau gleichzeitig auch noch ein Fan von Fantasy-Büchern und Filmen zu sein. Denn auch wenn das Genre immer weiblicher wird, passiert es dann doch immer wieder, dass die üblichen alten Klischees bedient werden.
Denn leider geben Frauen scheinbar für das Genre nur zwei sehr extreme Typen her: Die leicht minder bemittelte Jungfer in Nöten, deren Name man schon nach fünf Minuten vergisst – denn eigentlich sitzt die ja sowieso nur irgendwo herum, damit sie gerettet werden kann – oder die Oberzicke mit dem Aggressionsproblem, der man sich besser nur auf höchstens ein paar Meter nähert. Dazwischen mischt sich manchmal noch die eine oder andere fanatische Priesterin oder aufmüpfige Prinzessin, aber selbst die weisen normalerweise klare Tendenzen zu der einen oder anderen Gruppe auf.
Die Ironie: Oberflächlich hat sich seit Büchern wie Tolkiens „Herr der Ringe“ einiges getan. Das mehr oder weniger typische Burgfräulein, das zuerst gekidnappt und dann befreit wird oder wenigstens zu Hause sitzt und auf den Helden wartet, gibt es nur noch selten bis gar nicht mehr. Dass Bella Swan ohne Edward nicht mehr leben kann und Monate lang heulend in ihrem Zimmer sitzt anstatt sich ihren Problemen zu stellen und einen guten Psychologen aufzusuchen, der ihre schon krankhafte Bindung zu ihrem zu diesem Zeitpunkt Ex therapiert, ist schon das Maximum, was moderne Leser in diese Richtung ertragen müssen.
Starke Frauen sind in – aber oft auch sehr einseitig. Genauso wie die Jungfer in Nöten unterliegen sie klaren Regeln und dürfen nur selten eine dieser Regeln brechen. Sie sind die weibliche Antwort auf die Klischee-Bad Boys. Kampf-Zicken.
Stark, mutig, meistens mit einem blöden Spruch oder wenigstens einer Beleidigung an alle männlichen Wesen in ihrer Umgebung auf den Lippen, einer lächerlich üppigen Oberweite und immer schlecht gelaunt. Kurz: Ein charakterlicher Albtraum, der aber beim Abschlachten der [Hier wahlweise Zombies/Orks/Goblins/Dämonen oder sonst irgendwelche bösen Jungs eintragen] eine gute Figur macht und am Schluss nur nach einem Pfefferminzbonbon fragt, weil sie ein paar Gedärme in den Mund bekommen hat.
Denn eigentlich ist es egal in welchem Bereich des Fantasy (und Sci-Fi) wir uns bewegen. Sogar egal, welches Medium, das Problem ist eines, das sich nicht nur auf Bücher (wie z.B. Katsa aus Kristin Cashores „Die Beschenkte“ oder vom Prinzip her auch Katniss aus „Die Tribute von Panem“), sondern auch auf Serien (Titelheldinnen wie Buffy oder auch nur Nebenfiguren wie Jo aus „Supernatural“), Filme (z.B. Selene aus „Underworld“) und Spiele (Lara Croft & Co.) bezieht.
Frauen, die zwar alles andere als hilflos, aber auch so extrem sind, dass sie in kaum einer Situation Schwäche zeigen dürfen oder wenigstens alles in sich hinein fressen und damit viel introvertierter und kühler sein müssen als eine männliche Figur in derselben Situation. (Von dem sexualisierenden Part einmal abgesehen, denn der ist aufgrund der Tatsache, dass Bücher nicht grafisch, sondern mit der Fantasie des Lesers funktionieren, in der Fantasy-Literatur eher zweitrangig.) Aus irgendwelchen Gründen wird solchen Charakteren nicht zugetraut, dass sie gleichzeitig menschlich und glaubwürdig sein können. Stimmt ja auch. So wie sie da gestaltet werden, würde eine Schwäche sie auch wirklich lächerlich machen.
Dabei ist das eigentlich Lächerliche etwas anderes: Die Jungfer in Nöten ist nicht mehr zeitgemäß. Also wird sie eilig durch einen anderen platten Figurentypus ersetzt, obwohl ich als Leser mir doch eigentlich unabhängig vom Geschlecht lebendige Charaktere wünsche. Jemanden mit Stärken und Schwächen. Charakterlicher und körperlicher Natur. Mit Träumen und Ängsten. Mit Sehnsüchten und emotionalen Narben. Denn unabhängig davon, dass sowohl die Klischee-Figuren der Kampf-Zicke als auch die Jungfer in Nöten oft einfach nur da sein müssen, damit der eigentliche Held etwas hat, wofür es sich wiederum für ihn zu kämpfen lohnt, sind beide Typen einfach langweilig und berechenbar.
Kurz: Sie tun nur selten einer Geschichte gut.
Dabei hätte von allen Genres gerade Fantasy solche Klischees am wenigsten nötig. Natürlich sind sie üblich, aber nicht nötig. Nur um Patrick Rothfuss an dieser Stelle zu zitieren:
„[D]ie endlosen Möglichkeiten des Genres sind eine Falle. Es ist leicht […] [davon] abgelenkt zu werden und zu vergessen, was du eigentlich tun solltest: Eine gute Geschichte zu erzählen.“ (Übersetzt von mir. Hier geht’s zum Original im Interview mit Publisher Weekly 2011)
Auch wenn das Zitat sich eigentlich eher auf Magie, Einhörner, Roboter und Götter bezieht, kann man das auch sehr einfach auf Frauenfiguren übertragen.
Eine Prinzessin in einem Schloss, die nur darauf wartet, dass ihr Prinz den bösen [Hier wahlweise Zauberer oder Drachen eintragen] besiegt? Langweilig und taugt damit nicht für eine gute Geschichte.
Andererseits: Ich kann als Autor zwar eine aggressive, knapp bekleidete und übersexualisiserte Kriergerin erschaffen, die auch noch göttliche Vorfahren hat und somit so gut wie unbesiegbar ist und die natürlich eindeutig provoziert, aber was bringt mir das für meine Geschichte? Die Erkenntnis, dass die Dame vermutlich einen Vaterkomplex hat, weil Daddy übermächtiger Gott immer abwesend war und am liebsten einen Sohn gehabt hätte? Im Kampf gegen den Drachen, der den Prinz in Nöten entführt hat, hilft ihr das auch nicht weiter.
Vergesst also die prügelnden Badass-Tussen oder verzweifelten und etwas dämlichen Dryarden oder Prinzessinen, vergesst Vorstellungen aus Computerspielen und Filmen, vergesst, was ihr meint bieten zu müssen und versucht, eine gute Geschichte zu erzählen. Denn in einer wirklich guten (und wohlgemerkt ernst gemeinten und nicht ironischen) Geschichte mit guten Charakteren haben Kampf-Zicken und Jungfern in Nöten sowieso kein Platz. (Genauso wenig wie die Muskelprotze mit Spatzenhirn und zu großen Waffen, die man von männlicher Seite her kennt, aber das ist ein extra Kapitel.)
Ein Gedanke zu „Von Kampf-Zicken und Jungfern in Nöten: Frauen im Fantasy-Genre“
Wie sollte denn nun ein guter weiblicher Hauptcharakter aussehen? Gibt es wirklich keine guten Beispiele in der Literatur?
Und wie kann man einen vollends "vom Geschlecht unabhängigen" Charakter entwickeln, wenn die Gesellschaft einem vorlebt, dass man als Mann respektive Frau "aus der Rolle fallen" kann?