Wie aus einem Klischee ein Charakter mit Herz wird …
Die erste Grundidee für Deinen Roman steht oder Du hast bereits eine grobe Skizze des Plots im Kopf, wenn nicht sogar schon zu Papier gebracht. Der nächste Schritt kommt ganz von selbst: Du beginnst Dir über die Figuren Gedanken zu machen, die letztendlich die Abenteuer Deiner Geschichte bestehen werden. Bevor wir endlich loslegen, noch eine kurze Erklärung: Figuren sind für den Leser der Dreh- und Angelpunkt einer jeden Geschichte. Ohne sie könnte er sie überhaupt nicht miterleben.
Je glaubwürdiger Du Deine Charaktere also gestaltest, desto authentischer wird auch Dein Roman im Endeffekt sein. Ganz am Anfang der Charakterentwicklung sind Figuren nur Rollen, ein weißes Blatt Papier und erst wenn wir ihnen ein Herz geben, sie mit Eigenschaften, Fähigkeiten und Motivation ausstatten,sind sie für unsere Leser nachvollziehbar und glaubhaft. Aber was macht eine fiktive Figur für den Leser glaubhaft und lässt sie zu einem Wesen aus Fleisch und Blut werden? Charakterliche Tiefe und Glaubwürdigkeit. Diese erreichen wir, indem man dem Leser Informationen über die Figur an die Hand geben, ihn an ihrer Vergangenheit teilhaben lassen, an ihren Gefühlen, ihren Plänen und Hoffnungen. Wie Du das weiße Blatt, das Deine Figuren bisher darstellen, mit Informationen füllst, möchte ich Dir in fünf einfachen Schritten erklären:
Schritt 1: Archetypen – Kurz zu Beginn: Ein Archetyp ist ein allgemein gültiges Bild einer Persönlichkeit, auch Klischee genannt. Der Archetyp bildet das Skelett für Deinen Charakter. Dabei solltest Du beachten, welche Position und Funktion dieser Charakter in Deiner Geschichte einnimmt. Eine Nebenfigur, die nur einmal im Buch auftaucht, braucht nicht bis zum letzten Detail erschaffen zu werden. Über den Held dagegen sollte man sich schon ein paar Gedanken mehr machen, da sich ja mit ihm Deine Leser identifizieren sollen. Verschiedene Archetypen miteinander zu kombinieren ist jederzeit erlaubt und macht den Charakter schon in seiner Grundstruktur interessant. Besonders spannend finde ich Helden, die gleichzeitig Formwandler, also zwischen zwei Seiten hin und her gerissen, sind. Natürlich darf bei einer Hauptfigur nicht die plausible Begründung fehlen, warum er oder sie ein Formwandler ist, meistens liegt der Schlüssel dazu in der Vergangenheit.
Schritt 2: Das Aussehen – Jeder Leser möchte wissen, wie ein Charakter aussieht. Jedoch bin ich kein Fan von trockene Beschreibungen des Aussehens á la: Sie hatte lange, dunkle Haare und eine undefinierbare Augenfarbe, die besonders am Anfang einer Geschichte keinen guten Eindruck machen. Deshalb lieber zeigen statt beschreiben! Mann kann Infos zu Aussehen und Kleidung sehr gut in Aktionshandlungen verpacken und gleichzeitig Motivation und Gedanken mit einbauen: Sie strich sich verlegen eine Strähne ihres langen, dunklen Haares hinters Ohr. Eine weitere Möglichkeit ist das Beschreiben durch andere Figuren. Bevor ich allerdings Beschreibungen meines Charakters im Buch einfließen lassen, mache ich mir kurze Notizen zu seinem Aussehen und seiner alltäglichen Kleidung.
Schritt 3: Handeln und Denken – Jetzt wird es ein wenig knifflig und es eine Eigenschaft ins Spiel, die jeder Autor und jede Autorin bis zu einem gewissen Grad besitzen sollte: Das Hineinversetzen und -denken in andere Personen. Denn natürlich denkt eine Buchfigur nicht so wie Du. Ebenso wie beim Aussehen, lassen sich abstrakte Eigenschaften und Gedanken gut in Aktionshandlungen verpacken. Als Autoren haben wir da den großen Vorteil, dass wir auch das Innere unserer Figuren beleuchten können. Dabei sollten Handlungen und Gedanken nicht eindimensional sein, d.h. sie können sich auch widersprechen. Das bedeutet nicht das sich die innere Motivation ständig ändert, aber Ängste, Zweifel und Zögern sind erlaubt. Sie machen unsere Buchfiguren menschlich und für den Leser nachvollziehbar. Unserer Held darf auch ruhig Fehler und Schwachstellen haben, mit denen er sich manchmal selbst in fast ausweglose Situationen manövrieren kann. All das macht unsere Charakter ein Stück weiter lebensechter und interessant. Sprache ist ein weiterer wunderbarer Weg unsere Figuren während der Geschichte zu charakterisieren. Sie ist eine natürliche Handlung, in die sich zalhreiche Absichten und Gedanken legen lassen.
ACHTUNG! Die Gedanken und Handlungen der Charaktere dürfen nie für sich selbst stehen, sondern müssen die Handlung des Plot begleiten, vor- oder nachbereiten.
Schritt 4: Vergangenheit – Die Vergangenheit einer Figur ist der Grundstein für seine Motivation, also das was ihn innerlich antreibt und die Ausgangssituation, in der ja schließlich unsere Geschichte, die wir erzählen wollen, beginnt. Die Vergangenheit eines Charakters ist für eine Geschichte von zentraler Bedeutung, da der Autor hier schon den Ausgang der Geschichte festlegt. Wo ist mein Held jetzt und wo soll er am Ende des Buches stehen? Nicht zu verlässigen sind auch Erfahrungen, die die Figuren in seiner Vergangenheit gemacht hat und die seinen Charakter maßgeblich geprägt haben.
Schritt 5: Der erste Auftritt – Zu guter Letzt kommt der erste Auftritt Deiner Figur im Buch. Ein heikler Moment, denn der erste Eindruck zählt! Wie im wahren Leben, bleibt dem Leser der Eindruck, den er auf den ersten Seiten des Buches von Deinem Protagonisten erhält, ihm bis zur letzten Seite in Erinnerung. Für diese Szene ist es ratsam sich ausreichend Gedanken zu machen und das ganze ein wenig zu planen. Wie der erste Auftritt einer Figur verläuft, hängt von der Art der Geschichte und dem Charakter der Figur ab.
Ich hoffe Ihr könnt aus meiner Methode Charaktere zu erschaffen, etwas Hilfreiches für Euren Schreiballtag finden. Damit wünsche ich euch ein schönes Wochenende und eine erfolgreiche Schreibnacht heute Abend! 🙂