Wie die Wissenschaft bei der Charakterbildung helfen kann
Jeder Autor steht somit vor der Herausforderung, seine Figuren für die Leser interessant zu machen. Doch wie geht das? Reicht es einfach, irgendwelche Eigenschaften zusammen zu würfeln? Schließlich hat man genügend Auswahl, allein in der englischen Sprache beschreiben fast 18.000 Wörter die Persönlichkeit. Damit sich aber keiner von uns, mit einem Textmarker bewaffnet, durch ein Wörterbuch kämpfen muss, stelle ich dir ein paar Theorien vor, die aus der Persönlichkeitspsychologie stammen und Autoren bei der Entwicklung ihrer Charaktere helfen können.
Theorie 1: Eysencks Persönlichkeitskreis
Der Psychologe Hans Jürgen Eysenck greift in seinem Persönlichkeitskreis Hippokrates Körpersäfte-Theorie auf. Zuerst möchte ich dir aber erzählen, dass viele Theorien eines gemeinsam haben: Sie konzentrieren sich auf Grundeigenschaften. Die Anzahl derer ist überschaubar – was dir die Charakterentwicklung erleichtern soll. Doch kommen wir nun zu Hippokrates, der sich bereits um 400 v. Chr. mit dem Thema Persönlichkeit auseinandersetzte.
Als Mediziner nahm er an, dass die Persönlichkeit von der Verteilung der körpereigenen Flüsigkeiten abhinge. Somit entwickelte er die Temperamentenlehre, die sich auf vier Arten verteilt
- Blut (sanguinisch): fröhlich
- Schleim (phlegmatisch): träge
- Schwarze Galle (melancholisch): traurig
- Gelbe Galle (cholerisch): aufbrausend
Wenn das Blut im Körper überwiegt, besitzt der Mensch ein fröhliches Gemüt.
Diese Theorie diente Eysenck als Grundlage für seine eigene Persönlichkeitstypologie. Die Pole Extraversion und Neutrotizismus (emotionale Stabilität) finden sich später auch im nächsten Modell wieder. Während Hippokrates nur einen Pol, eine Ausprägung überwiegen konnte, ließ Eysenck Spielraum für Kombinationen. Die folgende Abbildung verdeutlicht dies:
Theorie 2: Das Fünf-Faktoren-Modell
- Extraversion
- Verträglichkeit
- Neutrotizismus
- Gewissenhaftigkeit
- Offenheit
Bei der Charakterfrage geht es darum die Ausprägung (+ stark, – schwach) dieser Eigenschaften festzustellen.
- + spontan, redselig, gesellig, – ruhig, ernst, zurückhaltend
- + kooperativ, harmoniebedürftig, mitfühlend, – aggressiv, feindselig, streitlustig
- + besorgt, depressiv, selbstzweifelnd, – zufrieden, selbstsicher, entspannt
- + zuverlässig, diszipliniert, zielstrebig, – unvorsichtig, willensschwach, verantwortungslos
- + interessiert, abenteuerlustig, kreativ, – oberflächlich, einfach, dumm
An dieser Stelle möchte ich davon abraten, immer die goldene Mitte zu nehmen. Das ist einfach, aber auch langweilig. Gesteht Euren Charakteren Ecken und Kanten zu.
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