Stufendiagramme | Stufe für Stufe zur detaillierten Handlung

Stufendiagramme | Stufe für Stufe zur detaillierten Handlung

Künstler vs. Kreativer Handwerker, in Englisch Discovery-Writing vs. Outlining. Das ist immer wieder Thema in der Schriftstellerwelt. Schneeflocken-Methode oder doch lieber plot- und planlos zum Roman? Schreiben ist eine Wissenschaft und die eigentliche Frage ist nicht, wie man schreibt, sondern wie viel vor dem Schreiben geplant wird. Und für mich ist das Stufendiagramm der Inbegriff des Plottens, denn mehr plotten als in einem Stufendiagramm kann man nicht, weil man sonst schon bei seinem ersten Entwurf gelandet ist. Die wichtigste Frage jedoch zu Beginn: Was ist ein Stufendiagramm? Im Grund ist dieses „Diagramm“ eine detailliert ausgearbeitete Darstellung der Szenen im Handlungsverlauf und gleicht schon sehr einem Baugerüst für den ersten Entwurf. Alfred Hitchcock erklärte einmal, dass er zwei oder drei große Szenen für einen Film im Kopf hat und sich daraufhin überlegt, wie die Figuren von A nach B gelangen könnten. Eben diese Vorgehensweise nutze ich auch beim Stufendiagramm. Aber wo fange ich an? Was ist der erste Schritt?

Die ersten Schritte

Jeder Roman beginnt mit einer Idee, und je nachdem wie man selbst als Autor arbeitet, kann man einfach drauf los schreiben ohne Plot und Plan oder wie ich sich von der Idee über eine Prämisse zu einem Sieben-Punkte-Plot vorarbeiten. Diese sieben Punkte sind die groben Züge der Handlung, Alfred Hitchcocks „große Szenen“ – Anfang und Ende, wichtige Schlüsselszenen und Wendepunkte. Und weiter?  Wie komme ich nun zum Stufendiagramm?

Ich beginne immer mit der Ausgangssituation, dem Ist-Zustand meiner Hauptfigur. Ich weiß, wo meine Figur am Anfang der Geschichte steht – charakterlich sowie räumlich. Dann überlege ich mir wie ich die Geschichte beginnen, wie ich den Lesern meine Hauptfigur vorstellen und sie in die Geschichte hineinziehen kann. In einem meiner älteren Projekte konzentriert sich die Handlung auf eine alte Hafenstadt, die unter der Herrschaft einer mächtigen Kaste von Magiern steht. Meine Protagonistin Tamé arbeitet für einen stadtbekannten Händler, der allerlei seltene Gegenstände und ungewöhnliche Artefakte im Angebot hat. In der ersten Szene nehme ich die Leser mit in den Tamés Alltag. Sie geht einem Auftrag, drei überaus seltene und begehrte Dracheneier zu erwerben, die nicht nur ihrem Partner sondern auch ihr jede Menge Geld einbringen könnte. Nur ist Tamé nicht die Einzige, die Interesse an diesen Dracheneiern zeigt und es dauert nicht lange bis einer der ersten Magier auftaucht und ihr den wertvollen Besitz streitig machen will. 

Die Arbeit an einem Stufendiagramm ähnelt sehr dem Plotten mit Karteikarten, denn beim Erstellen eines Stufendiagramms stelle ich mir für eine Szene die selben Fragen: Was möchte meine Figur? Was steht ihr im Weg und was hat sie am Ende der Szene erreicht? Welche Fragen kommen auf, werden beantwortet und müssen noch beantwortet werden usw.? So hangele ich mich von Szene zu Szene, wobei sich die folgende immer aus der vorausgegangenen logisch entwickelt. Wie bei allem, was das Schreiben betrifft, gibt es auch hier verschiedene Wege, wie man das Stufendiagramm angehen und gliedern kann: 
  • Plot oder Figuren? Fokussiere ich mich lieber auf den Plot oder auf die Figuren und ihre Entwicklungen? Dabei kommt es auch sehr stark auf das Genre an, das man gewählt hat. Wer beispielsweise einen Krimi schreibt, legt den Fokus auf den Plot, denn jeder Hinweis muss logisch zum nächsten führen und letztendlich zum Täter. In Jugendromanen geht es eher um die Charaktere und die Erfahrungen die sie machen, die Entwicklungen, die sie vollziehen. Ich schreibe vorwiegend Fantasy und baue auch sehr gerne Rätsel mit ein, daher gehe ich meist den Mittelweg und notiere mir die Entwicklung des Plots und der Figuren. Hier gilt es auszuprobieren welcher Weg der richtige für das aktuelle Projekt ist.
  • Kapitel oder Szenen? Soll ich mein Stufendiagramm in Szenen unterteilen oder in Kapitel? Das ist definitiv Geschmacksache. Ich arbeite eher mit Szenen und setzte die Kapitel erst später, wenn sich abzeichnet wo es einen Cliffhanger gibt und wo eine Atempause für die Leser. Wem von vornherein klar ist, dass eine Szene = ein Kapitel sein wird, kann das Stufendiagramm auch gleich in Kapitel einteilen.

Den Überblick behalten

Ich schreibe mein Stufendiagramm am Laptop und lege mir dafür in einem Ordner für jede Szene eine separate Datei an. Um den Überblick über die ganzen Szenen zu behalten, fasse ich den Inhalt zunächst in ein paar Wörtern zusammen um sie als Dateiname abzuspeichern – ähnlich einer Kapitelüberschrift. Da ich meine Szenen im Stufendiagramm nicht nummeriere, aus dem einfachen Grund weil ich an irgendeiner Stelle immer damit anfange, Szenen hin und her zu schieben, benutze ich zusätzlich eine Excel-Tabelle, in der die Szenenüberschrift, handelnde Figuren, Zeit und Ort angeben sind. So kann ich die Szenen in der Tabelle anrangieren und zu einem späteren Zeitpunkt nummerieren. Zudem kann ich in der Tabelle erkennen wo es vielleicht noch Lücken gibt, die es zu stopfen gilt. 
Auch in den Beschreibungen der Szenen sieht es meist chaotisch aus. Das entwickelt der unterschiedlichen Szenen gleicht bei mir in etwa einem Brainstorming: Alles was mir zu der Szene einfällt wird aufgeschrieben, da können schon ganze Passagen und Dialoge mit enthalten sein. Um später noch den Überblick zu behalten, was denn in dieser speziellen Szene alles geschieht, habe ich damit begonnen, wichtige Informationen hervorzuheben – durch fett markieren, unterstreichen, farbige Hintergründe. Zum eigentlichen Schreiben des ersten Entwurfs brauche ich mein Stufendiagramm in handfester Form auf Papier und da kann man bei 20 – 50 Seiten schnell mal den Überblick verlieren. 
Zum Abschluss möchte ich noch ein Zitat von James N. Frey einwerfen, bei dem ich den Begriff „Stufendiagramm“ aufgeschnappt habe. Er erklärt ein wichtiges Merkmal des Stufendiagramms, das man bei seiner Arbeit daran, nicht vergessen darf:

Es gibt keine formale Regeln, wie man ein Stufendiagramm erstellt. Einige Autoren schreiben sehr viele Einzelheiten hinein, andere legen ihr Stufendiagramm nur skizzenhaft und dürftig an. […] Der Zweck eines Stufendiagramms besteht darin, die Ereignisse in einer fortschreitend durch Ursache und Wirkung bestimmten Reihenfolge zu halten […].

Fazit: Egal wie ich dorthin gelange – ob geradlinig oder auf Umwegen, solange ich am Ende eine logisch aufeinander aufbauende Handlung habe, habe ich alles richtig gemacht mit meinem Stufendiagramm. P.S. Back-Ups nicht vergessen! 😉

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