Vom Erschaffen von Kulturen und dem Sinn von Chroniken

Vom Erschaffen von Kulturen und dem Sinn von Chroniken

Im ersten Teil des Weltenbaukastens habe ich über die Grundbausteine einer Welt gesprochen: Logik und Naturgesetze, sowie über die Natur und Geographie. Weiter geht’s!

Land und Leute: Eine Kultur entwerfen

Eine Kultur zu entwerfen ist knifflig, denn sie sind komplex. Wo fange ich dann am besten an? Stellen  wir die Frage mal anders: Wann kann eine Kultur entstehen? Damit Menschen oder menschenähnliche Wesen sesshaft werden können, muss der Ort, an dem eine Siedlung entstehen soll, bestimmte Bedingungen erfüllen:
  • Wasser: Der Mensch braucht Wasser, um leben zu können. Sucht euch ein nettes Plätzchen in der Nähe von einem Fluss, einem See oder einen unterirdischen See, damit eure Gemeinschaft einen Brunnen bauen kann.
  • Nahrung: Auch Nährstoffe braucht der Mensch zum Leben. Die Natur bietet eine Fülle an Ressourcen in Wäldern, Flüssen, Seen und Meeren ebenso wie Weideland und Nutztiere. 
  • Wohnraum: Welche Baumaterialien stehen zur Verfügung? Holz, Stein, Backsteinziegel …
  • Struktur: Jede Gesellschaft braucht eine Struktur, um funktionieren zu können. Hier kommen politische Systeme ins Spiel, bei denen man sich an irdischen Modellen orientieren.
  • Austausch: Kommunikation ist unerlässlich für den Alltag und das Seelenheil des Einzelnen, und auch für den Roman sind Dialoge ein wichtiges Stilmittel. Marktplätze, Gasthäuser, Waschplätze, Kirchen und Tempel … all das sind Orte, an denen sich Menschen treffen, um miteinander zu sprechen. 
  • Schutz: Militär, Stadtwache, Polizei
Diese sechs Punkte bilden die erste Stufe. Damit sich eine Gesellschaft zu einer Hochkultur entwickeln soll, müssen ideale Bedingungen geschaffen werden. Eine Region mit Rohstoffen im Überfluss bildet den besten Nährboden, um über Politik zu philosophieren und neue Technologien zu erfinden. Während in einem Land, in dem Hunger an der Tagesordnung ist und die Bevölkerung von Räubern geplagt wird, das Gesetz des Stärkeren herrscht.
  • Religion: Der Glaube eröffnet eine ganze Palette an feinen Plotsträngen, die Frage nach Recht und Moral, Aufstieg und Zerfall, Toleranz und das Verstehen von Motiven. Was bewirkt der Glaube beim Individum/bei der Bevölkerung? Was fordert/gibt der Glaube? Wann und wie wird der Glaube benutzt? Gibt es Rituale und/oder Festlichkeiten? Welche Stellung nimmt der Glaube in der Welt ein? Wie verhält er sich zu anderen Religionen? Wenn es darum geht dem Leser ein Bild der Religion zu geben, orientiert ihr euch am besten an bestehenden Glaubensrichtungen. Spielt mit den Sinnen der Leser, wenn ihr von Gesangsfetzen, den Geruch von Weihrauch und Opferblut schreibt. 
  • Handel und Wirtschaft: Mit florierendem Handel tauchen weitere Laster der Menschheit auf: Macht und Geld. Einigen hat es zu Wohlstand verholfen, andere wiederum hat die Gier nach Macht und Geld in die Armut gestürzt. Hier liegt ein uralter Konflikt begraben: Der Kampf zwischen Armen und Reichen, der nach Spielregeln verlangt und das Justizwesen auf den Plan ruft. 
  • Wissenschaft, Technik und Magie: Mit der Technik entscheiden sich Berufsmöglichkeiten für die Bevölkerung und nicht zuletzt Waffenarten und entsprechende Taktiken und Kämpfe. Daher ist es ratsam sich von Anfang an Gedanken um den technologischen Stand seiner Gesellschaft zu machen. Sollen nur antike oder mittelalterliche Arbeitsmittel geben, die dementsprechend viel Körperkraft voraussetzen oder befinden wir uns gar in der Zukunft, in der Maschinen den Menschen längst die Arbeit abgenommen haben? Gibt es Magie in euren Welten sollten ihr euch ein paar Regeln zurecht legen, die die Magie greifbarer für den Leser werden lässt. Gibt es Zaubersprüche und Rituale, vielleicht sogar eine Ausbildung in der Zauberei? Welchen Tribut fordert die Magie von ihrem Anwender?
  • Kunst
Achtet bei dem Entwerfen eurer Kultur darauf, dass diese sich aus der Geschichte heraus entwickelt. Katastrophen, Kriege und Veränderungen der Umwelt beeinflussen eine Kultur und die Menschen bauen Vorurteile auf. Da wir vorerst selbst nur den Ist-Stand unserer Kultur kennen, sollten wir uns darüber Gedanken machen, was eigentlich passiert ist, bevor wir in unsere Welten gestolpert sind. Darum geht es im letzten Punkt:

Eine Chronik schreiben: Ist das wirklich notwendig?

Der Anhang eines Fantasy-Romans kann sich erheblich in die Länge ziehen, nicht nur weil der Autor uns in einem Glossar alle fremdartigen Begriffe erklärt. Daneben gibt es noch eine Abhandlung über die Geschichte seiner Welt. Jetzt mal ehrlich: Muss das sein? Ja, wenn nicht zwingend für den Leser, dann doch für euch als Autoren. Wie sonst könnt ihr erklären, wie es zu den Ereignissen in euren Romanen gekommen ist.

Ein Beispiel aus Der Hobbit: Thorin Eichenschild weigert sich den Elfenkönig vom Düsterwald, Thranduil, um Hilfe zu bitten. Auf Elfen ist kein Verlass, sagte er. Warum? Das fragt sich der Leser jetzt. Der Grund liegt in der Vergangenheit, in der Geschichte zweier Königreiche: Thranduil verweigerte den Zwergen in ihrer bittersten Not seine Unterstützung, nämlich als der Drache Smaug ihnen die Heimat nahm. 
Dieser Verrat des Bündnisses zwischen Waldelben und Zwergen hat Zwietracht, wenn nicht sogar Hass zwischen den beiden Völkern gesät, und es sorgt für den Zündstoff eines Konflikts, wenn sich die beiden noch einmal über den Weg laufen. Eine Chronik zu schreiben ist in der Fantasy, die sich doch häufig mit Krieg und Intrigen beschäftigt sinnvoll und nötig. Ich persönlich schreibe meine Chroniken soweit, wie es die Handlung des Romans verlangt und keine Zeile mehr. Es kommt ganz darauf an, wie viel ihr euren Lesern an Hintergrundgeschichte zumuten möchtet, doch in aller erster Linie ist eine Chronik dazu da, dass man als Autor den Überblick über die ganzen kleinen Details eines Romans nicht verliert.

Hui, das war ein ganz schöner Brocken. Wenn noch Fragen offen geblieben sind oder ihr zu einem Thema noch weitere Informationen und Erklärungen haben möchtet, schreibt mir doch einen Kommentar. Ich antworte gern. 🙂

Teil 1: Grundbausteine. Logik und Naturgesetze. Natur und Geographie
Teil 2: Land und Leute. Eine Kultur entwerfen. Eine Chronik schreiben – Ist das wirklich notwendig?
Teil 3: Herangehensweise: Wo fange ich am besten an?
Teil 4: Kleiner Kartografiekurs: Der Weg zur eigenen Landkarte.
Weltenbau Special: Fragenkatalog Part I

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