Wie finde ich „meine“ Lektorin oder „meinen“ Lektor?
Der Lektor* – der große Unbekannte
Es kursieren unterschiedliche Gerüchte um die Relevanz und Funktion eines Lektors: Eine nerdige, empathielose und humorbefreite graue Eminenz der Rechtschreibung, so munkeln die einen und fügen hinter vorgehaltener Hand hinzu: der furiose und erbarmungslose Feuerteufel in Sachen Stilkunde.
Unersetzlicher Begleiter, Coach und Seelendoktor, so behaupten die anderen.
Die Vorstellungen gehen hier vollkommen auseinander – je nachdem, was Einzelne für Erfahrungen gemacht haben oder sich aus den Erfahrungsschätzen der näheren und ferneren Umgebung zusammensammeln.
Fakt ist: Autoren brauchen Lektoren, wenn sie einen respektablen, formvollendeten Text veröffentlichen wollen, der Lesern einen Nutzen bringt und Vergnügen bereitet.
Hier erfährst du, welche Aufgaben Lektoren übernehmen und was sie können (sollten). Und es gibt ein paar Tipps, worauf du bei der Auswahl „deiner Lektorin“ oder „deines Lektors“ achten solltest.
- Was sind Lektoren und was machen sie?
- Wie finde ich für mich „die Richtige“ oder „den Richtigen“?
- Wie erkenne ich ein gutes Lektorat?
1. Was sind Lektoren und was machen sie?
Lektoren achten darauf, dass ein Text „funktioniert“. Dabei ist gleich auf mehreren Ebenen eine Menge zu bedenken: Inhalt, Struktur, Sprache und Stil sowie die Metaebene – abhängig von der Textart und dem literarischen Anspruch.
Lektoren haben einschlägige Erfahrungen in der Textbearbeitung, kennen sich mit den Spezifika der einzelnen Genres und Textarten aus, haben ein Gespür für Storytelling und Spannungsaufbau, ein Gefühl für den richtigen Ton und ansprechenden Rhythmus, wissen, wie die Branche tickt, wie man welche Zielgruppe zufriedenstellt, welche Elemente einer Geschichte unbedingt vorhanden sein müssen, welche Figurenkonstellationen funktionieren usw.
Lektoren sorgen dafür, dass ein Manuskript Druckreife erlangt.
2. Wie finde ich für mich „die Richtige“ oder „den Richtigen“?
Lektoren arbeiten unterschiedlich. Im Zusammenhang mit literarischen Texten gibt es verschiedene Ansätze. Einige Lektoren bieten nur das eine oder das andere an und trennen hier dezidiert: Die einen beschränken sich auf den Oberflächen-Check und schauen, „ob alles so passt“, andere stürzen sich auf das Stillektorat, das vor allem sprachliche Aspekte berücksichtigt, wiederum andere gehen „richtig in den Text“ und bearbeiten Struktur, Figurenentwicklung und Dramaturgie.
Dazu muss man Folgendes wissen: „Lektorin“ oder „Lektor“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung, es gibt keine spezielle Ausbildung. Im Prinzip kann sich jeder mit dieser Berufsbezeichnung schmücken. Meist haben Lektoren ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert, oft in linguistischen Fächern bzw. Philologien (Germanistik, Anglistik, Romanistik usw.).** Manche haben Hintergrund aus dem Drehbuchbereich. Dementsprechend unterschiedlich sind Repertoire und Fertigkeiten auf den einzelnen Gebieten.
Vergewissere dich im Vorhinein bezüglich der Punkte, die für dich wichtig sind, beispielsweise ob die Person in der Lage ist, dramaturgisch einzugreifen, oder ob die- oder derjenige auch stilistisch mit dir arbeitet. Zu empfehlen ist immer ein Komplettlektorat, das alles in allem berücksichtigt. Dadurch kann man als Autor am meisten lernen. Insbesondere bei einem Debüt ist dieser Rundum-Check wichtig, da hier wertvoller Input zur handwerklichen Herangehensweise geliefert wird. Das ist die Ausgangsbasis für deine weitere schriftstellerische Tätigkeit.
Wenn du einen freien Lektor bemühst, kläre unbedingt vorab den Leistungsumfang und die Art der Abrechnung, damit du keine bösen Überraschungen erlebst.
ACHTUNG: Wenn du bereits einen Verlag gefunden hast, brauchst du dich nicht um ein Lektorat bemühen. Entweder wird dir jemand intern zur Seite gestellt oder jemand von extern angefordert. Letzteres ist oft bei Kleinverlagen der Fall.
Wie geht man die Suche also an?
Es gibt mittlerweile einige Foren, Plattformen und Branchennetzwerke, bei denen freie Lektoren gelistet sind und sich mit Kurzprofilen präsentieren – auch und gerade für Selfpublisher.
Ob du über Berufsverband, Brancheneintrag, via Suchmaschine oder über Empfehlung gehst, schau/frage nach:
- Referenzen, Erfahrungen
- Tätigkeitsschwerpunkten (Genres, Fach-/Themenbereiche)
- Ablauf der Zusammenarbeit / Arbeitsweise
- Abrechnungsmodalitäten
Weitere Möglichkeiten:
- Vereinbare ein (kostenpflichtiges) Probelektorat (Umfang Definitionssache)
- Fordere ein (kostenpflichtiges) Gutachten an (i. d. R. 50 Seiten Text + Exposé)
Ganz wichtig: Sprich mit dem Menschen! Finde heraus, ob die Chemie stimmt, ob die- oder derjenige etwas mit deinem Stoff und deiner Sprache anfangen kann.
** In spezialisierten Bereichen des Fach- und Wissenschaftslektorats wird i. d. R. ein spezifischer (akademischer) Hintergrund erwartet.
3. Wie erkenne ich ein gutes Lektorat?
Stell dir folgende Fragen:
- Sind die Korrekturen plausibel?
- Sind die Erklärungen/Kommentare nachvollziehbar, die Argumente schlüssig?
- Hast du das Gefühl, der Lektor versteht, was du sagen möchtest?
- Werden Alternativen angeboten und Impulse gesetzt, mit denen du arbeiten kannst?
- Kann sich der Lektor in deine Sprache einfinden?
- Ist der Dialog konstruktiv oder redet ihr aneinander vorbei?
- Ist die Bereitschaft zur Auseinandersetzung gegeben?
- Werden die Spezifika des Genres/Themenbereiches berücksichtigt?
Das kann – mit Verlaub – nicht sein. Bei jedem Lektorat gibt es den Punkt, an dem es schmerzt. Entweder muss man sich von Gedanken trennen, die durcheinander oder zu ausführlich geraten sind, oder es hat einen bei einer Szene, die einem selbst besonders wichtig ist, spontane Adjektivitis befallen. Wenn ein Text einfach so durchgewunken wird, ist etwas faul.
Umgekehrt gilt: Wenn man gemeinsam so gar nicht auf einen grünen Zweig kommt, stellt sich die Frage, ob man nicht womöglich auf verschiedenen Bäumen hockt.
Was also tun?
- Lass dir generell eine Einschätzung deines Textes geben und überprüfe, ob die Begründung der einzelnen Punkte nachvollziehbar ist. Hast du das Gefühl, der Lektor hat sich mit deinem Text auseinandergesetzt?
- Hast du bestimmte Textstellen, bei denen du dir nicht sicher bist, ob sie inhaltlich oder stilistisch/sprachlich gut sind? Dann sprich die Person darauf an, wie sie oder er das sieht. An der Antwort wirst du erkennen, ob „deine Lektorin“ oder „dein Lektor“ imstande ist, dir ihre oder seine Sicht auf deinen Text plausibel darzulegen.