Wie finde ich „meine“ Lektorin oder „meinen“ Lektor?

Wie finde ich „meine“ Lektorin oder „meinen“ Lektor?

Der Lektor* – der große Unbekannte

Es kursieren unterschiedliche Gerüchte um die Relevanz und Funktion eines Lektors: Eine nerdige, empathielose und humorbefreite graue Eminenz der Rechtschreibung, so munkeln die einen und fügen hinter vorgehaltener Hand hinzu: der furiose und erbarmungslose Feuerteufel in Sachen Stilkunde.
Unersetzlicher Begleiter, Coach und Seelendoktor, so behaupten die anderen.

Die Vorstellungen gehen hier vollkommen auseinander – je nachdem, was Einzelne für Erfahrungen gemacht haben oder sich aus den Erfahrungsschätzen der näheren und ferneren Umgebung zusammensammeln.

Fakt ist: Autoren brauchen Lektoren, wenn sie einen respektablen, formvollendeten Text veröffentlichen wollen, der Lesern einen Nutzen bringt und Vergnügen bereitet.

Hier erfährst du, welche Aufgaben Lektoren übernehmen und was sie können (sollten). Und es gibt ein paar Tipps, worauf du bei der Auswahl „deiner Lektorin“ oder „deines Lektors“ achten solltest.

  1. Was sind Lektoren und was machen sie?
  2. Wie finde ich für mich „die Richtige“ oder „den Richtigen“?
  3. Wie erkenne ich ein gutes Lektorat?

1. Was sind Lektoren und was machen sie?

Lektoren achten darauf, dass ein Text „funktioniert“. Dabei ist gleich auf mehreren Ebenen eine Menge zu bedenken: Inhalt, Struktur, Sprache und Stil sowie die Metaebene – abhängig von der Textart und dem literarischen Anspruch.

Lektoren haben einschlägige Erfahrungen in der Textbearbeitung, kennen sich mit den Spezifika der einzelnen Genres und Textarten aus, haben ein Gespür für Storytelling und Spannungsaufbau, ein Gefühl für den richtigen Ton und ansprechenden Rhythmus, wissen, wie die Branche tickt, wie man welche Zielgruppe zufriedenstellt, welche Elemente einer Geschichte unbedingt vorhanden sein müssen, welche Figurenkonstellationen funktionieren usw.

Lektoren sorgen dafür, dass ein Manuskript Druckreife erlangt.

TIPP: Was en détail im Rahmen eines Lektorats berücksichtigt wird, wie genau ein Lektorat abläuft und was man selbst dabei beachten muss, kannst du in dem Artikel DAS LEKTORAT – EIN MYSTERIUM? im Schreibnacht-Magazin nachlesen.

Lektoren haben verschiedene Funktionen – je nachdem, ob sie in einem Verlag sitzen oder als Freischaffende tätig sind.
Verlagslektoren beschäftigen sich neben der Korrektur und redaktionellen Aufbereitung oft auch mit der Prüfung beziehungsweise Auswahl von Manuskripten hinsichtlich Kompatibilität mit dem Verlagsprogramm. Auch die Klärung von Rechtsfragen gehört hier mit rein. Hinzu kommt die Betreuung des Projektes über das Veröffentlichungsdatum hinaus, die Einbindung und Koordination von Vermarktung und Marketingaktivitäten – Autorenbetreuung und Terminplanung inklusive. Die Tätigkeit eines Verlagslektors gleicht oft der eines Projektleiters, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Der Lektor besetzt quasi die Schnittstelle zwischen Autor, Verlag und ggf. Übersetzer. 
Freie Lektoren arbeiten für Privatpersonen oder Professionelle, die sich mit dem Gedanken tragen zu veröffentlichen, oder für einen oder mehrere Buchverlage; entweder sind sie fest liiert oder werden auf Zuruf hinzugezogen, in der Regel ausschließlich für die Textbearbeitung. Manch einer konsultiert sie auch vor Abgabe des eigenen Manuskripts an eine Literaturagentur, um zumindest grobe Schnitzer von vorneherein auszumerzen und sich eine externe Meinung einzuholen, bevor man sich „auf den Markt“ begibt.
ACHTUNG: Freie Lektoren sind keine Literaturagenten! Auch wenn sie oft über weitreichende Kontakte in der Branche verfügen, ist es nicht ihre Aufgabe, Autoren an Verlage zu vermitteln oder dafür zu sorgen, dass diese bei einer Literaturagentur unterkommen. Sie geben gern Tipps und sprechen Empfehlungen aus, aber nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Überzeugung. Du tust dir keinen Gefallen, wenn du versuchst, Kontakte zu puschen.

2. Wie finde ich für mich „die Richtige“ oder „den Richtigen“?

Lektoren arbeiten unterschiedlich. Im Zusammenhang mit literarischen Texten gibt es verschiedene Ansätze. Einige Lektoren bieten nur das eine oder das andere an und trennen hier dezidiert: Die einen beschränken sich auf den Oberflächen-Check und schauen, „ob alles so passt“, andere stürzen sich auf das Stillektorat, das vor allem sprachliche Aspekte berücksichtigt, wiederum andere gehen „richtig in den Text“ und bearbeiten Struktur, Figurenentwicklung und Dramaturgie.

Dazu muss man Folgendes wissen: „Lektorin“ oder „Lektor“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung, es gibt keine spezielle Ausbildung. Im Prinzip kann sich jeder mit dieser Berufsbezeichnung schmücken. Meist haben Lektoren ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert, oft in linguistischen Fächern bzw. Philologien (Germanistik, Anglistik, Romanistik usw.).** Manche haben Hintergrund aus dem Drehbuchbereich. Dementsprechend unterschiedlich sind Repertoire und Fertigkeiten auf den einzelnen Gebieten.

Vergewissere dich im Vorhinein bezüglich der Punkte, die für dich wichtig sind, beispielsweise ob die Person in der Lage ist, dramaturgisch einzugreifen, oder ob die- oder derjenige auch stilistisch mit dir arbeitet. Zu empfehlen ist immer ein Komplettlektorat, das alles in allem berücksichtigt. Dadurch kann man als Autor am meisten lernen. Insbesondere bei einem Debüt ist dieser Rundum-Check wichtig, da hier wertvoller Input zur handwerklichen Herangehensweise geliefert wird. Das ist die Ausgangsbasis für deine weitere schriftstellerische Tätigkeit.

Wenn du einen freien Lektor bemühst, kläre unbedingt vorab den Leistungsumfang und die Art der Abrechnung, damit du keine bösen Überraschungen erlebst.

ACHTUNG: Wenn du bereits einen Verlag gefunden hast, brauchst du dich nicht um ein Lektorat bemühen. Entweder wird dir jemand intern zur Seite gestellt oder jemand von extern angefordert. Letzteres ist oft bei Kleinverlagen der Fall. 

Wie geht man die Suche also an?
Es gibt mittlerweile einige Foren, Plattformen und Branchennetzwerke, bei denen freie Lektoren gelistet sind und sich mit Kurzprofilen präsentieren – auch und gerade für Selfpublisher.

Ob du über Berufsverband, Brancheneintrag, via Suchmaschine oder über Empfehlung gehst, schau/frage nach:

  • Referenzen, Erfahrungen
  • Tätigkeitsschwerpunkten (Genres, Fach-/Themenbereiche)
  • Ablauf der Zusammenarbeit / Arbeitsweise 
  • Abrechnungsmodalitäten 

Weitere Möglichkeiten:

  • Vereinbare ein (kostenpflichtiges) Probelektorat (Umfang Definitionssache)
  • Fordere ein (kostenpflichtiges) Gutachten an (i. d. R. 50 Seiten Text + Exposé)

Ganz wichtig: Sprich mit dem Menschen! Finde heraus, ob die Chemie stimmt, ob die- oder derjenige etwas mit deinem Stoff und deiner Sprache anfangen kann.

** In spezialisierten Bereichen des Fach- und Wissenschaftslektorats wird i. d. R. ein spezifischer (akademischer) Hintergrund erwartet. 

3. Wie erkenne ich ein gutes Lektorat?

Stell dir folgende Fragen:

  • Sind die Korrekturen plausibel?
  • Sind die Erklärungen/Kommentare nachvollziehbar, die Argumente schlüssig?
  • Hast du das Gefühl, der Lektor versteht, was du sagen möchtest?
  • Werden Alternativen angeboten und Impulse gesetzt, mit denen du arbeiten kannst?
  • Kann sich der Lektor in deine Sprache einfinden?
  • Ist der Dialog konstruktiv oder redet ihr aneinander vorbei?
  • Ist die Bereitschaft zur Auseinandersetzung gegeben?
  • Werden die Spezifika des Genres/Themenbereiches berücksichtigt?
Und zuletzt: Es tut nirgendwo weh?
Das kann – mit Verlaub – nicht sein. Bei jedem Lektorat gibt es den Punkt, an dem es schmerzt. Entweder muss man sich von Gedanken trennen, die durcheinander oder zu ausführlich geraten sind, oder es hat einen bei einer Szene, die einem selbst besonders wichtig ist, spontane Adjektivitis befallen. Wenn ein Text einfach so durchgewunken wird, ist etwas faul.
Umgekehrt gilt: Wenn man gemeinsam so gar nicht auf einen grünen Zweig kommt, stellt sich die Frage, ob man nicht womöglich auf verschiedenen Bäumen hockt.

Was also tun?

  • Lass dir generell eine Einschätzung deines Textes geben und überprüfe, ob die Begründung der einzelnen Punkte nachvollziehbar ist. Hast du das Gefühl, der Lektor hat sich mit deinem Text auseinandergesetzt?
  • Hast du bestimmte Textstellen, bei denen du dir nicht sicher bist, ob sie inhaltlich oder stilistisch/sprachlich gut sind? Dann sprich die Person darauf an, wie sie oder er das sieht. An der Antwort wirst du erkennen, ob „deine Lektorin“ oder „dein Lektor“ imstande ist, dir ihre oder seine Sicht auf deinen Text plausibel darzulegen. 
Wenn du völlig verunsichert bist, kannst du auch eine zweite Meinung einholen. Das schmerzt zwar den Geldbeutel im ersten Moment, schadet ihm und deinem Wohlbefinden aber weniger, als wenn du mit einem für dich unpassenden Lektorat leben musst. 
* In diesem Artikel werden Berufsbezeichnungen wie Autor, Lektor, Übersetzer etc. im Singular und Plural weitestgehend mit festem Genus im Sinne der geschlechtsneutralen Formulierung verwendet. Die Wahl der Ausdrucksweise stellt in keiner Weise eine Bewertung, Abwertung oder Ignoranz eines Geschlechtes dar, sondern dient allein dem Zweck der besseren Lesbarkeit. 
Zur Erklärung: Da hier oft innerhalb eines Satzes von Autor/innen und Lektor/innen inkl. Artikeln und zuweilen Adjektiven die Rede ist, wird eine gendergerechte Sprache mühsam zu lesen, insbesondere in der flektierten Form. Durch die Wahl des Schrägstrichs oder Sternchens würden die Wörter dann unsauber getrennt – z. B. im Genetiv – und man würde ungewollt stolpern. Außerdem würde dann die männliche Form zuerst genannt werden (s. o.).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert