Lebendige Städte: Von der Steilküste zur Stadtmauer
Große Häuser lagen vor ihnen. Eine breite Straße, die von vielen Fackeln erhellt wurde, führte vom Tor aus in die Stadt. […] Revyn erspähte eine junge Frau, die am Fenster saß und las, und aus einem anderen Haus drang schallendes Gelächter. Aus der Ferne hallte Lärm, seltsam verzerrt von den hohen, dicht gedrängten Gebäuden. S.137 | Das Drachentor | Jenny-Mai Nuyen
Sie bogen bloß um eine Straßenecke, doch Revyn kam es vor, als seien sie plötzlich in eine fremde Welt geraten: Farbige Laternen hingen über den Hauseingängen und beleuchteten Frauen mit roten Lippen, die laut und derb miteinander scherzten. […] Überall zischte, dampfte und brutzelte es, denn in jeder Gasse, jeder Hausöffnung, jedem Kellerloch befand sich eine Garküche. S.137 | Das Drachentor | Jenny-Mai Nuyen
Frage 1: In welcher Landschaft liegt meine Stadt?
Wüste oder Wald, Fluss oder Meer, Berge oder Ebene, Norden oder Süden? Die Lage einer Stadt beeinflusst maßgeblich, das Leben in einer Stadt, von Kleidung über das Essen bis zu den Materialien, aus denen die Gebäude errichtet wurden. Diese Dinge sind unsere Grundlagen, auf die wir aufbauen können. Unterbewusst nehmen Sie Einfluss auf die Handlung.
Einfaches Beispiel: In einer Hafenstadt ist der Fischmarkt von Menschen überflutet. Fisch ist im Überfluss verfügbar. Fisch ist billig. Das Essen der einfachen Bürger und der Armen. Während sich der Kaufmann fünf Straßen weiter einen Rehrücken zum Mittag verspeist. Er hat das Geld sich das teure Fleisch zu kaufen, das aus den weiter entfernten Wäldern importiert werden muss. Bei einem Treffen mit einem Mittelsmann wird es wohl eher Fischsuppe geben als Wildschweinbraten. Ein unbedeutendes Detail, aber es macht die ganze Handlung greifbarer, wenn der Leser in einer fantastischen Welt mit realen Dingen in Berührung kommt, die er kennt.
Frage 2: Welche Funktion hat meine Stadt?
oder warum ist mein Protagonist überhaupt in die Stadt gekommen? Steht er mit einer Armee vor den Toren der Stadt, um seinen Erzfeind im finalen Kampf zu besiegen oder ist sie nur eine Zwischenstation auf der langen Reise? Je nachdem welche Rolle deine Stadt in der Geschichte spielt, verändert sich der Fokus deines Protagonisten.
Einfaches Beispiel: Wenn euer Held als Spion eingesetzt wird, sind Waffen, Geheimnisse und Verteidigungsanlagen wichtiger als die Garküchen, die es zuhauf in den kleinen Gassen gibt – es sei denn sein Magen knurrt. Ist die Figur in der Stadt, um einen Handel abzuschließen, wird der Marktplatz interessanter sein und das Verhalten der Kaufmänner. Genauso wird der Waisenjunge, der sich sein Abendessen besorgt, eher ein Auge auf die Wachen und Händler haben wird, als auf die schönen Seidenstoffe am Stand nebenan.
Fazit: Die kleinen Details, die auf den ersten Blick nicht auffallen mögen, machen eine Stadt lebendig und die wir nun gern weiter erkunden möchten. Aber bitte: In Maßen, nicht in Massen! Im Fokus steht immer noch unser Held und seine Geschichte. Beschreibungen und ihre kleinen Details sollen eine ferne, nicht existente Welt nur greifbar und erlebbar machen. Bei dem Aussehen eurer Stadt und ihrer Bewohner gelten wie immer die Grenzen der Fantasie, und die sind bekanntlich unendlich.
Eine Aufgabe zum Mitnehmen: Wann immer ihr ein Buch lest oder einen Film schaut, indem die Protagonisten eine Stadt besuchen, nehmt euch ein Zettelchen und notiert euch, was für Details den Figuren ins Auge gesprungen sind. Wenn ihr selbst in einer Stadt unterwegs seit, vielleicht sogar im Urlaub, macht euch Notizen oder wer gerne fotografiert, kann diese Momente festhalten. So legt ihr euch einen stetigen Katalog an Stadtleben zu, und so kann man bei Gelegenheit, eine Beschreibung mit einer derb scherzenden Frau mit roten Lippen auflockern.
Zwischenspiel: Die Welt zeigen im Wandermodus
Teil 6: Politische Systeme II – Auswirkungen
Teil 7: Lebendige Städte: Von der Steilküste zur Stadtmauer