Disziplin und andere Katastrophen

Disziplin und andere Katastrophen

Diszi- Was? Kann man dazu Nudeln essen? Ich bin ganz ehrlich, diszipliniert ist kein Wort, mit dem man mich beschreiben könnte. Oder anders gesagt: ich bin diszipliniert undiszipliniert (gewesen).

Wer erfolgreich sein will, der muss diszipliniert sein – Biss haben. Aber wenn du diesen Artikel liest, geht es dir wahrscheinlich wie mir. Gut, dass man Disziplin erlernen kann. Der Duden definiert das übrigens als „das Beherrschen des eigenen Willens, der eigenen Gefühle und Neigungen, um etwas zu erreichen“. Widerstehe also dem Drang, auf Twitter herum zu hängen, dich aufs Sofa zu kuscheln und ’nur noch eine Folge‘ zu schauen (wir wissen doch alle, das hat noch kein Mensch geschafft) oder die Wohnung ausgerechnet jetzt putzen zu müssen (der Dreck läuft in der Regel nicht weg und wenn doch, dann darfst du putzen!). Wie du deine Schreibzeit effektiv nutzt, hat Irina letzten Monat schon wunderbar erklärt.


Aber wie kann man Disziplin erlernen?

Ich denke, das ist individuell, deswegen gehe ich vor allem darauf ein, was mir geholfen hat.

Zunächst einmal geht es um Disziplin beim Schreiben, das heißt, du musst kein durch und durch disziplinierter Mensch sein. Persönlich merke ich immer: wenn ich es beim Schreiben schaffe, muss ich akzeptieren, dass andere Dinge chaotischer ablaufen. Natürlich kann nur eine Minderheit an Autor*innen das Schreiben an erste Stelle setzen. Wenn du allerdings erfolgreich sein möchtest, sollte es eine möglichst hohe Priorität erhalten – in meinem Fall bleibt dann notfalls in der Wohnung mal was liegen, während ich meine Uni-Deadlines einfach nicht verschieben kann.

Folgt man der Definition des Duden, ist es eigentlich ganz leicht: einfach den Impuls, etwas anderes zu tun, unterdrücken. Tja, wenn das tatsächlich so einfach wäre. Deswegen muss es auch nicht sofort zu einhundert Prozent klappen. Wenn du den Impuls hast, dich zu entspannen, eine Serie zu schauen, ein Buch zu lesen oder zu zocken, statt zu schreiben, dann teile dir deine freie Zeit ein. Ein bisschen Schreiben und danach darfst du dich mit der anderen Aktivität belohnen. Die Zeit, die du fürs Schreiben investierst, steigerst du allmählich, bis du bei deinem gewünschten Pensum angekommen bist. (Falls du dein Tagespensum normalerweise in Wörtern berechnest, kannst du dir überlegen, wie lange du für X Wörter brauchst oder du nimmst dir für den Anfang eine geringere Wortzahl vor und steigerst diese.)

Falls das nichts für dich ist, kannst du dir auch ein alternatives Belohnungskonzept überlegen. Ein Buch zu schreiben ist ein harter Weg, der manchmal unendlich scheint. Das heißt, allein der potenzielle Erfolg muss dir nicht die gesamte Motivation liefern. Diese Belohnungen können vielfältig und entweder klein für bereits kleinere „Erfolge“ oder Größere für ein größeres Stück Arbeit sein.


Disziplin heißt Durchhaltevermögen

Ein wichtiger Teil von Disziplin ist Durchhaltevermögen. Es bringt nur wenig, wenn du jeden Tag 2.000 Wörter schreibst, aber nie etwas zu Ende bringst. Das über allem stehende Ziel ist eine fertige Geschichte – nicht nur eine beendete Rohfassung, sondern auch die Überarbeitung und weitere Augenpaare, die über deinen Text geschaut haben. Zu diesem Thema hat übrigens Francis einen wunderbaren Artikel geschrieben.

Es wird immer wieder Phasen geben, in denen du wenig Lust auf dein Projekt hast. Spaßprojekte oder ein zweites sind – je nach Arbeitsweise – zwar in Ordnung, aber verschiebe deine Projekte nicht in die Schublade und investiere nicht zu viel Zeit in Spaßprojekte. Arbeite auch an deinem Buch, wenn du gerade nicht Feuer und Flamme dafür bist. Und auch wenn du das Gefühl hast, schlechter zu schreiben, wenn du nicht voll und ganz für die Geschichte brennst. Denk einfach immer daran, dass man eine leere Seite nicht überarbeiten kann. Beiß dich durch!

Schreiben ist zwar Kunst und Künstler*innen schwadronieren gerne über die berühmt – berüchtigte Muse, die manchmal zum Küssen aufgelegt ist und sich dann wieder rar macht. Aber Schreiben ist auch Handwerk. Dramatisch ausgedrückt, bedeutet Schreiben Blut, Schweiß und Tränen.


Prioritäten und Ziele setzen!

Das Leben steckt voller Überraschungen und Tagen, an denen ganz viel dazwischen kommt. Aber um dieses natürliche Chaos zu meistern, sind Prioritäten wichtig. Wie bereits erwähnt, muss das Schreiben nicht die höchste sein, aber eine relativ hohe einnehmen, wenn du mit Disziplin zum Erfolg kommen willst. Wenn du also Schreibzeit hast, dann muss die Verabredung mit Freunden eben mal verschoben werden. Das ist hart, aber wenn du Disziplin erlernen bzw. diszipliniert sein willst, musst du da durch. Es wird einfacher, wenn du ein festes Ziel vor Augen hast. Kein „es wäre schön, wenn …“, sondern ein festes Tages-, Wochen-, Monats- und / oder Jahresziel, an dem du festhältst. Persönlich finde ich Wort- und Seitenziele einfacher, aber du kannst auch als Jahresziel festlegen, dass du deine Rohfassung beendest, dein Manuskript komplett überarbeitest oder schon einen Schritt weiter gehst und es Agenturen und Verlagen anbietest oder es selbst veröffentlichst. Achte dabei darauf, dass du alles aus dir rausholst. Zur zusätzlichen Motivation kannst du dein Ziel auch höher stecken, als du es momentan für möglich hältst, aber nicht zu hoch – das ist anfangs schwierig. Wenn du deine Fortschritte genau dokumentierst, wirst du mit der Zeit lernen, deine eigenen Fähigkeiten besser einzuschätzen. Insbesondere, was den Wordcount angeht, liebe ich den Schreibkalender von Marie Graßhoff, den ihr auf ihrer Homepage herunterladen könnt.


Der Schreibkalender von Marie Graßhoff für 2020 (Screenshot)

Feste Schreibzeiten oder Chaos pur?

Viele Autor*innen schwören auf feste Schreibzeiten. Abhängig von deinen sonstigen Verpflichtungen und Terminen nimmst du dir beispielsweise täglich eine oder mehr Stunden fürs Schreiben, sodass du in eine feste Routine kommst und gar nicht mehr darüber nachdenkst, was du gerade lieber tun würdest oder sonst so tun solltest. Manche stehen dafür früher auf, um vor dem Alltagswahnsinn Zeit mit dem Dokument zu verbringen. Wer nicht so der frühe Vogel ist, kann auch abends schreiben oder die Mittagspause nutzen.

Prinzipiell würde ich dir dieses Vorgehen eindeutig empfehlen. Zwar erfordert das Einführen einer Routine immer auch Disziplin, sie macht dir das (Autor*innen-)Leben auf Dauer aber leichter. Trotzdem lässt sich eine solche feste Routine nicht immer ins Leben integrieren. Das bedeutet aber nicht, dass du an dieser Stelle einfach aufgeben kannst! Wenn du studierst und einen völlig chaotischen Stundenplan hast, der dich an einem Tag zum frühen Aufstehen zwingt und dich am nächsten von mittags bis abends in der Uni sitzen lässt, kannst du dir auch für jeden Tag eine andere Schreibzeit einplanen und dir so statt einer Tages-eine Wochenroutine erstellen.

Wenn das immer noch keine Option ist, weil dein Leben voller spontaner Termine ist, musst du dich selbst darauf konditionieren, die freie Zeit dazwischen entsprechend zu nutzen. Nicht darauf warten, dass du mal zwei Stunden Ruhe hast, sondern auch die kleinen Pausen nutzen. Selbst in zwanzig Minuten kannst du ein paar hundert Wörter zusammen bekommen. Legst du mehrere solche Etappen an einem Tag ein, hast du schnell 1.000 oder mehr Wörter geschrieben. Persönlich würde ich allerdings sagen, dass dies der schwierigere Weg ist, der mehr Disziplin erfordert. Überleg dir also gut, ob du nicht doch eine Stunde früher aufstehen willst, um jeden Tag eine feste Schreibzeit zu haben. Chaos ist zwar ein Weg, aber er führt selten zu Disziplin und nur über viele Umwege zu Erfolg.


Konzentration, Konzentration, Konzentration!

Ich glaube zwar nicht, dass ich euch das sagen muss, aber es gehört einfach dazu. Wenn du schreibst, solltest du konzentriert sein. Minimiere die Ablenkungsfaktoren. Klar, gegen eine Baustelle gegenüber oder den heimwerkenden Nachbarn lässt sich nur schwer etwas ausrichten, außer Kopfhörer auf und Musik noch lauter. Wenn du dich allerdings beim Schreiben durch Musik ablenken lässt, wirst du mit dem Umgebungslärm leben müssen. Nimm das bloß nicht als Ausrede, heute doch nicht zu schreiben. Denn selbst wenn Konzentration wichtig ist, ist unkonzentriertes Schreiben in den meisten Fällen immer noch besser als gar nicht schreiben.

Falls du wie ich einfach nicht die Finger von deinem Handy lassen kannst, empfehle ich dir die Forest-App. Dort kannst du einen Zeitraum von zehn Minuten bis zu zwei Stunden einstellen und auswählen, ob ein Busch oder ein Baum gepflanzt werden soll. Diese variieren, abhängig von der eingestellten Zeit, ein wenig im Aussehen und so bildet sich mit der Zeit monatlich ein kleiner Wald – glaubt mir, das schlechte Gewissen wächst, wenn man, statt konzentriert zu arbeiten, nach seinem Handy greift und das wachsende Bäumchen damit killt.


Die Forest-App (Screenshot)

Für den Computer gibt es „Focus-Writer“. Die größte Stärke und gleichzeitig – für mich persönlich – größte Schwäche des Programms ist, dass es ohne Schnickschnack auskommt. Du kannst selbst einige Einstellungen vornehmen, wie beispielsweise den Hintergrund ändern, aber es ist und bleibt ein reduziertes Schreibprogramm, das im Text selbst kaum Formatierungsmöglichkeiten bietet (von den gängigen wie fett oder kursiv, rechts- oder linksbündig und Blocksatz mal abgesehen). Wem in dieser Hinsicht Word schon zu wenig ist, der wird „Focus-Writer“ wohl hassen. Wer sich leicht von anderen offenen Programmen ablenken lässt, sollte dem Fullscreen-Programm allerdings eine Chance geben. Solange „Focus-Writer“ geöffnet ist, kannst du nicht einfach in ein anderes Programm wechseln (Musik im Hintergrund laufen lassen, funktioniert allerdings!).


Focus-Writer mit individuellem Hintergrund (Screenshot)

Diese Ratschläge sind natürlich nicht erschöpfend und jede*r muss eine eigene Strategie finden – deswegen seid jetzt ihr dran:

Bist du ein disziplinierter Mensch oder musstest du das auch erst lernen und was hat dir dabei geholfen, Disziplin zu lernen?

2 Gedanken zu „Disziplin und andere Katastrophen

  1. Danke für das Teilen deiner Erfahrungen, Cassie!
    Vielleicht sollte ich das tägliche Schreiben wirklich mal testen, es passt nur momentan nicht zu meinem Leben. ?‍♂

    1. Das kann ich absolut verstehen – manchmal hat man so viele flexible Verpflichtungen, dass man einfach keine Routine entwickeln kann. Aber Kopf hoch: das kann sich wieder ändern und es geht auch ohne feste Routine 🙂

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