Plotting-Techniken #1: Die Drei-Akt-Struktur
Gerade für neue Autor_innen ist es eine große Herausforderung, sich im Dschungel der Plotting-Techniken zurechtzufinden. Es gibt so viele dramaturgische Tipps und Tricks und entsprechende Erwartungen der Leser_innen, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Aus diesem Grund widmet sich in den folgenden Wochen eine Reihe den Plotting-Techniken, die dir helfen, deiner Geschichte Struktur zu vermitteln. Wenn dich zu viel Struktur aber blockiert, bist du vielleicht ein Pantser wie Redakteurin Julia. Hier findet du einen Artikel, in dem sie ihre Erfahrungen mit dem Plotten reflektiert: Für immer ein Pantser! Plotting funktioniert nicht für alle Autor_innen – und das ist vollkommen in Ordnung! Es geht vor allem darum, das System zu finden, das für einen selbst am besten funktioniert.
Ein guter Anfang für alle Neu-Plotter ist sicherlich der Klassiker, den man aus zahlreichen Dramen kennt: Die Drei-Akt-Struktur. Anfang, Mitte, Ende. Myna Kaltschnee hat sich die Zeit genommen, die Drei-Akt-Struktur näher auszuführen, ihr findet ihren (schon etwas älteren) Artikel hier. Im Grunde gibt es drei große Abschnitte, in die die Geschichte sich einteilen lässt, und jeder Abschnitt ist durch einen Wendepunkt von den anderen getrennt.
Der 1. Akt
Im ersten Abschnitt werden die Protagonist_innen vorgestellt, der Konflikt eingeführt und die Welt etabliert. Als Leser_in erfahre ich, wo und wie die Protagonist_innen leben, lerne ihre Familie und ihre Freunde kennen und begleite sie in ihrem typischen Alltag. Das bedeutet aber keineswegs, dass Autor_innen eine langweilige Szene an die nächste klatschen können. Glaubt nicht, dass ihr damit davonkommt! Wichtig ist es, auch hier schon Spannung zu erzeugen und Konfliktpotential deutlich zu machen. In Twilight ist Bella gerade zu ihrem Vater ins regnerische Forks gezogen, obwohl sie eigentlich die Sonne liebt. Harry Potter lebt bei den Dursleys, muss unter der Treppe schlafen und wird ständig verdächtigt und für Dinge bestraft, für die er nichts kann – weil er ein Zauberer ist, es aber (im Gegensatz zu seiner Tante und seinem Onkel) nicht weiß. Gerade bei fanstastischen Geschichten wird schon jetzt deutlich, dass irgendetwas passieren muss. Die Frage ist, was das ist.
Dann passiert etwas, das alles ändert – der Wendepunkt. Der Schrank nach Narnia wird geöffnet, Harry bekommt den Brief von Hogwarts, Bella findet heraus, dass Edward ein Vampir ist. Der Alltag wird durchbrochen, die Protagonist_innen schreiten in eine neue Welt. Dies kann, wie in der Phantastik, tatsächlich eine zweite, bisher verborgene Welt sein. Aber auch in Liebesromanen und Thrillern gibt es diese Wendepunkte. Ein Bekannter wird tot aufgefunden, eine Liebeserklärung ausgesprochen, ein Geheimnis gelüftet. Es gibt unzählige Möglichkeiten, diesen Punkt zu gestalten. Da der Anfang einer Geschichte (gerade bis zum Wendepunkt) die erste große Herausforderung ist, braucht man dazu besonders viel Motivation. In diesem Artikel zum Anfang listet Lina Möglichkeiten auf, wie man seine Herangehensweise an den Anfang optimieren und den inneren Schweinehund überwinden kann.
Der 2. Akt
Im zweiten Akt gilt es dann, die neue Situation kennenzulernen, sich anzupassen, kleinere Aufgaben zu bestehen, sich den Herausforderungen zu stellen. Um mal bei Bella zu bleiben: Sie lernt, was es bedeutet, ein Vampir zu sein, und erfährt mehr über Edward, seine Geschichte. Im zweiten Akt werden Wissen und Fähigkeiten generiert, die für den letzten Akt wichtig sind. Harry besucht Hogwarts, lernt dazu, gewinnt Freunde und macht sich Feinde. Ein Rätsel stellt sich, Hinweise werden gesucht und gefunden. Im Thriller suchen die Ermittler_innen nach Hinweisen, in Liebesromanen verbringen die Liebenden Zeit miteinander, lernen sich noch besser kennen.
Diesem mittleren Teil der Geschichte hat sich Cassiopeia in einem Magazinartikel gewidmet: In der Mitte durchhalten. Dort findest du Tipps und Tricks und ganz viel Motivation, um deine Geschichte nicht in Monotonie verfallen zu lassen. Außerdem könnt ihr dort bereits einen winzigen Einblick in die anderen Plotting-Techniken erhalten.
Der 3. Akt
Es kommt dann zu einem weiteren Wendepunkt, dem Weg zum Höhepunkt. Bei Twilight stößt Bella auf einen Vampir, der nach ihrem Blut dürstet, die finale Auseinandersetzung steht im Vordergrund und wird bis zum Höhepunkt vorbereitet. Harry bricht mit Hermine und Ron auf, um den Stein der Weisen zu retten und besteht allerlei Aufgaben auf dem Weg zur finalen Konfrontation mit dem Bösewicht. Es kommt zum Showdown. Held und Bösewicht stehen sich gegenüber, ein Kampf findet statt. Der Täter wird gestellt, die Liebenden konfrontieren einander mit ihren Gefühlen, ihren Ängsten. Die Auseinandersetzung führt zu einem Sieg – oder einer Niederlage.
Danach folgt ein Spannungsabfall, die letzten Fragen werden geklärt, die Welt der Protagonist_innen hat sich für immer geändert. Unabhängig davon, ob sie in ihre Welt zurückkehren, Freund_innen betrauern, die Liebe ihres Lebens gefunden haben oder sich neuen Zielen und Plänen widmen, der Höhepunkt liegt hinter den Protagonist_innen und auch den Leser_innen. Jetzt gilt es, die Geschichte abzuschließen – und vielleicht gar einen winzigen Einblick in die Zeit danach zu geben. Das glückliche Paar wird gezeigt, der Bösewicht wird verhaftet (und schwört vielleicht, sich zu rächen), der Held schmiedet einen Plan.
Ich habe zum Ende letzten Jahres einen kurzen Magazinartikel geschrieben, der sich den letzten Stunden im Manuskript, oder auch: dem Ende widmet. Denn gerade der dritte Akt fordert Autor_innen heraus, alle Fäden zu nehmen, sie mit einer hübschen Schleife im Höhepunkt der Geschichte zusammenzubinden und die Geschichte danach, einem Faden gleich, abzuschneiden. Es ist eine Herausforderung, das Ende zu finden – aber noch größer ist die Gefahr, die Geschichte nicht loszulassen und endlos weiter zu schreiben. Diese Reihe hilft euch hoffentlich dabei, das Grundgerüst der Geschichte zu sehen und zu verstehen. Bald geht es weiter in unserer Plotting-Technik-Reihe: mit der 5-Akt-Struktur.
Nutzt ihr die 3-Akt-Struktur? Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen!
6 Gedanken zu „Plotting-Techniken #1: Die Drei-Akt-Struktur“
Ich bin eher so der Pantser, wobei das was ich am Ende habe schon auf die 3-Akt-Struktur hinausläuft, weil sie – für mich – am ehesten auf Romance anwendbar ist.
Mein ewiges Fantasyprojekt ist ein Zwischending aus Heldenreise und 3-Akt und ich schaffe es partout nicht, mich an den Plot zu halten, der ausnahmsweise komplett vorhanden ist 🙂
Liebe Irina,
ich finde es gerade sehr spannend, dass du die 3-Akt-Struktur am ehesten mit Romance verbindest und es da am anwendbarsten findest. Ich verwende bei Romance eher andere Strukturen – oder tatsächlich nur eine grobe Struktur, die sich nach keinen Schemata richtet. Meine Fantasyprojekte hingegen sind relativ eng durchgeplottet und entsprechen verschiedenen Strukturen. Da geht’s mir wie dir. Allerdings blockiert es mich ein wenig, wenn ich zu viele Informationen habe, die ich nur „abarbeiten“ muss – ein bisschen Raum für Spontanität muss sein.
Ich finde es so spannend, wie anders da die Erfahrungen sind!
Liebe Grüße,
Francis
Weil ich natürlich total versemmelt habe, den Retweet mit einem Hashtag #Schreibnacht zu versehen, hier nochmal als Kommentar:
Ich habe beim Plotten die Drei-Akt-Struktur immer im Hinterkopf und rufe mir zusätzlich auch die so genannte „Heldenuhr“ ins Gedächtnis, um meine Struktur zu überprüfen. Beides finde ich immer wieder sehr hilfreich. <3
Liebe Jana,
das finde ich super spannend! ich selbst schreibe nicht bewusst nach der 3-Akt-Struktur, ich habe zumeist andere Strukturen im Hinterkopf. Aber genau deshalb finde ich es so spannend zu erfahren, was für andere funktioniert – und darauf zu verweisen, dass es eben nicht die eine Möglichkeit gibt, eine Geschichte zu plotten.
Ich wünsche dir noch viel Erfolg beim Schreiben!
Liebe Grüße,
Francis
Ja, doch. Die 3-Akt-Struktur ist schon Orientierungshilfe, wenn ich Geschichten plane. Das ist durch eigenen Buch- und Filmkonsum auch schon so ‚drin‘, dass ich mich damit eigentlich nie so richtig beschäftigt habe. Mit anderen Plottingmethoden habe ich mich dann tiefergehend beschäftigt und mich auch beim Plotten daran entlang gehandelt.
Irina kann ich zustimmen. Für Romance eignet sich die Struktur ganz gut.
Liebe Azul Celeste,
vielen Dank für deinen Kommentar! Vielleicht hast du recht und die 3-Akt-Struktur ist durch den Medienkonsum schon so selbstverständlich, dass man sie automatisch als Grundlage für sämtliche Werke verwendet – und dann bewusst andere Strukturen als Ergänzung wählt. Bei Romance finde ich es tatsächlich sehr schwierig anwendbar. Wo würdest du dort denn typische Wendepunkte ausmachen?
Liebe Grüße!
Francis